Museumswelt von morgen

Naturwissenschaftliche Museen gefragt wie nie

Von Joachim Heinz

Museum – da denken manche vielleicht an verstaubte Vitrinen oder in die Jahre gekommene Ausstellungsstücke. Und dann auch noch naturwissenschaftliche Sammlungen. Das ist doch nur etwas für Spezialisten, oder? Weit gefehlt. In den vergangenen Jahren hat sich einiges geändert. Hinzu kommt: Die Digitalisierung treibt den Wandel in der Museumslandschaft weiter voran. Immer mehr Besucherinnen und Besuchern scheint das zu gefallen.

Vielleicht liegt die Zukunft des Museums ja direkt hier, am Rande eines Friedhofs in Bonn. Auch wenn das Deutsche Museum Bonn die Besucher mit einem Stück Vergangenheit empfängt: Den Weg zum Eingang weist der Transrapid 06 – eine jener Magnetschwebebahnen, die auf der Transrapid-Testrecke im Emsland unterwegs waren, bevor das Projekt vor bald 15 Jahren begraben wurde. Das imposante Stück Technikgeschichte ist eines der letzten Exponate, das vom „alten“ Museum übriggeblieben ist.

Seit 2020 durchläuft das Haus einen Transformationsprozess mit einer Mission: Künstliche Intelligenz (KI) zu erleben, zu verstehen und mitzugestalten. Ein Megathema, das rasanten Entwicklungen unterworfen ist. Deswegen verzichten sie in Bonn auf Dauerausstellungen. „Wir zeigen keine toten Sachen mehr in Vitrinen“, erläutert Kurator Ralph Burmester. Stattdessen sollen die Besucher selbst aktiv werden – ohne mit Antworten aus der Konserve konfrontiert zu werden. „Wir sind ein Ort der Orientierung“, so Burmester.

„Augmented Reality“ und „Gamification“ lauten zwei wichtige Stichworte. Mit VR-Brillen können die Besucher in die Welt von Quarks und Co. eintauchen, in einer Soundkabine Klima und Klimawandel vertonen oder in einem Atelier KI-generierte Kunstwerke entwerfen. Um bei den Exponaten immer auf dem neuesten Stand zu bleiben, hat das Museum ein Netzwerk von Unterstützern aufgebaut: von Unternehmen wie dem Chemie- und Pharmariesen Merck über Universitäten wie Bonn oder Mainz bis hin zu Softwareentwicklern aus München und Prag.

Entertainment im Museum

Schriftliche Erklärungen fehlen – selbst, wenn es um schwere Kost wie Tumorerkennung mithilfe von KI, Teilchenbeschleuniger oder den Aufbau künstlicher neuronaler Netze geht. Dafür gibt es die Mitarbeiter, „Museotainer“ genannt, die an den einzelnen Stationen auf unterhaltsame Weise Wissen vermitteln wollen. Zu erkennen sind sie an ihren orangefarbenen T-Shirts. Eine von ihnen ist Paula Michel. Sie hat Museologie und Kunstgeschichte studiert. Es gehe gar nicht darum, Expertin in Informatik oder Mathematik zu sein, sagt sie. „Ich darf selbst immer wieder nachfragen.“ Genau das mache jedoch den Reiz der Arbeit aus – auch wenn sich nach einem ganzen Tag im Dialog mit dem Publikum schon mal Müdigkeit breit macht.

Der Ableger des Münchner Deutschen Museums gehört zu den fast 900 naturwissenschaftlichen und technischen Museen in der Bundesrepublik. Sie machen damit 13 Prozent der insgesamt mehr als 6.800 Häuser aus, die das Institut für Museumsforschung mit Sitz in Berlin zuletzt für seine Statistiken erfasste. Dazu gehören kleine Häuser, die lediglich zwischen zehn und 20 Besuchen im Jahr meldeten, und andere, die mehr als 100.000 Besuche verzeichneten.

So bunt die Museumslandschaft hierzulande ist, eine Erfahrung eint fast alle Einrichtungen, egal ob sie naturwissenschaftliche, historische oder künstlerische Exponate zeigen: In der Coronapandemie brachen die Besuchszahlen oft massiv ein. Das belegt ein Blick in die jüngste verfügbare Datensammlung des Instituts für Museumsforschung, die sich auf das Jahr 2021 bezieht. Demnach wurden 2019, im letzten Jahr vor Corona, in allen Museen zwischen Flensburg und Passau 111,6 Millionen Besuche gezählt – 2021 waren es 38,8 Millionen.

Ein Anruf bei Claudia Kamcke vom Staatlichen Naturhistorischen Museum in Braunschweig zeigt: Trotz der zwischenzeitlichen Turbulenzen blicken die Verantwortlichen oft positiv in die Zukunft. In vielen Naturkundemuseen seien 2022 und 2023 gerade mit Blick auf die Besuchszahlen Langzeitrekorde geknackt worden, betont die Sprecherin der Fachgruppe Naturwissenschaftliche Museen im Deutschen Museumsbund. „Und das teilweise ohne besondere Aktionen oder große Sonderausstellungen.“

Naturkunde lockt Familien

Die Ursachen dafür kann Kamcke nur vermuten. Vielleicht, so sagt sie, brachte das regnerische Wetter im vergangenen Jahr die Menschen vermehrt in die Museen. Vielleicht ist aber auch nach der Coronapandemie die Lust wiedergekehrt, sich durch den Besuch einer Ausstellung schlau zu machen und dabei im besten Falle auch noch Spaß zu haben. Trotzdem eine vorsichtige Frage: Ist es nicht schwierig, junge Menschen für einen Gang in naturwissenschaftliche oder technische Museen zu gewinnen? Claudia Kamcke lacht: „Im Gegenteil. Die Naturkundemuseen sind ‚die‘ Familienmuseen schlechthin!“

Das könnte am Mitmachfaktor liegen, den sich viele Einrichtungen auf die Fahnen geschrieben haben. „Forschen x Neugier = Spaß²“ lautet etwa der Slogan der Phänomenta in Lüdenscheid. Das Berliner Museum für Naturkunde verspricht: „Wir erforschen die Erde und das Leben im Dialog mit den Menschen.“ Das gefällt laut eigenen Angaben mehr als 700.000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr.

Die Herausforderungen, so Kamcke, liegen auf einem anderen Gebiet: dem der Digitalisierung. Dabei ist das Spektrum äußerst breit, wie die Expertin erläutert. Da ist zum einen das Thema Datensicherheit. Im vergangenen Herbst fiel ausgerechnet das beim Publikum so beliebte Berliner Naturkundemuseum einem Hackerangriff zum Opfer. Dabei hatten es die Kriminellen auf Daten abgesehen, die Käufer von Onlinetickets hinterlegt hatten. Laut Medienberichten wurde ein spezialisierter Sicherheitsdienstleister mit der Analyse des Angriffs betraut.

Solche „Feuerwehreinsätze“ kosten Geld, genauso wie Aufbau und Wartung einer zeitgemäßen IT-Infrastruktur mit Langzeitdatenspeicherung. Das sei durch die regulären Haushalte nicht mehr zu decken, beklagt Kamcke. Dabei hätten die Museen durch Inflation und steigende Löhne ohnehin schon eine Menge zusätzlicher Kosten zu schultern.

Eine andere große Aufgabe ist laut Kamcke die digitale Erfassung und Erschließung der Sammlungsbestände. Ziel sei es, „Wissensinfrastrukturen öffentlich zugänglich zu machen“. Dabei geht es keineswegs nur darum, den Weg von Daten aus den Museen hin in die Labore von Wissenschaftlern zu ebnen, wie Thomas Martin weiß. Der 60-Jährige ist Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule Merseburg und ehrenamtlicher Vorsitzender des Vereins Sachzeugen der Chemischen Industrie (SCI).

Spielwiese für Wissbegierige

Auf dem Gelände der Hochschule betreibt der SCI das Deutsche Chemie-Museum Merseburg. Man muss sich das Ganze als riesige Spielwiese für naturwissenschaftlich interessierte Menschen vorstellen, wozu Martin auch seine Studierenden zählt. „Es ist nämlich auch eine Lehrmittelsammlung“, wie der Professor hinzufügt. „Sie können hautnah an alles ran“, sagt er. „Wir sind ein Museum zum Anfassen und haben viele Exponate im originalen Zustand.“ Ein Beispiel: die Kautschukbandmaschine von 1961, „Herzstück“ der Kautschukproduktion, die in den 1930er Jahren in den Buna-Werken unweit des heutigen Museumsgeländes erstmals in Deutschland realisiert wurde.

Mitglieder des SCI bieten Führungen über das weitläufige Areal an. Eine solche Führung, idealerweise durch einen Experten oder eine Expertin mit eigenen Erfahrungen in der Chemieindustrie, ist nach Ansicht von Martin immer noch der Königsweg, um sich die Geschichte und Bedeutung der Exponate des Museums zu erschließen. „Aber bei jungen Leuten ist es schon schwieriger, die zu packen und sie dazu zu bewegen, eine Stunde lang zuzuhören“, räumt er ein.

Deswegen versuchen sie es auch in Merseburg mit digitalen Angeboten. „Actionbound“ heißt die App, mit der Besucherinnen und Besucher „spannende Schatzsuchen und lehrreiche Führungen“ auf ihr Smartphone oder ein Tablet laden können. Die Actionbounds laden ein, in Themenwelten wie „Kunststoff im Alltag“ einzutauchen. Die Vermittlung „verjüngen“, nennt Martin das. Er hofft, dass die Gäste des Museums – egal ob auf analoge oder digitale Weise – einige der Geschichten hinter den Objekten mitnehmen. Sein persönliches Lieblingsstück: eine Umlaufpumpe zur Ammoniaksynthese. „Die wird im kommenden Jahr 100 und ist immer noch funktionstüchtig.“ Die Geschichte dahinter: Dank der Ammoniaksynthese ist die Herstellung von Dünger in großem Stil möglich. Letzten Endes, sagt Martin, stelle dies die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln sicher.

Aktuell lässt der SCI ermitteln, wie die Trägerschaft des Museums in Zukunft aussehen könnte, indem etwa die umliegenden Kommunen oder Unternehmen stärker mit einbezogen werden. „Eigentlich machen wir ja ganz viel Vermittlungsarbeit für die Industrie“, betont er. Da wäre es doch in beiderseitigem Interesse, wenn sich Partner aus der Region auch finanziell etwas stärker beteiligen würden. Ein Kurator zur Pflege der Exponate steht auf Martins Wunschliste ganz oben. Und auch bei der museumspädagogisch aufbereiteten Präsentation, räumt er ein, gebe es noch Luft nach oben.

Vernetzung scheint auch andernorts das Gebot der Stunde zu sein. Mitte April 2024 schlossen sich sechs der größten naturkundlichen Sammlungen in Deutschland zusammen. Sie wollen ihre über 140 Millionen Sammlungsobjekte für die Wissenschaft frei zugänglich machen. Beteiligt sind der Botanische Garten Berlin an der Freien Universität Berlin, das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn und Hamburg, das Museum für Naturkunde Berlin, die Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung, das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart sowie die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. Der Zusammenschluss erfolgt im Rahmen der Forschungsinfrastruktur Distributed System of Scientific Collections (DiSSCo). Dazu gehören heute bereits über 170 Naturkundemuseen, Botanische Gärten und universitäre Sammlungen aus ganz Europa. Die deutschen Sammlungen bilden ab sofort einen eigenen „DiSSCo-Knoten“. Im Idealfall spielt hier künftig die Musik, wenn es um das Wissen zur biologischen Vielfalt der Erde geht.

13,27 Meter Höhe misst mit dem Brachiosaurus brancai das größte montierte Dinosaurierskelett der Welt und beeindruckt jährlich bis zu 700.000 Besucher im Naturkundemuseum Berlin. Der Saurier lebte vor 150 Millionen Jahren und ernährte sich von Pflanzen. Ein großer Teil der ausgestellten Objekte wie auch der Brachiosaurus brancai stammt aus einer Grabung des Museums, die zwischen 1909 und 1913 am Tendaguru, einem Hügel in der Lindi-Region im heutigen Tansania stattfand. Dort wurden unter der Leitung des Paläontologen Werner Janensch rund 230 Tonnen Knochen geborgen. Das „Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung“ ist ein integriertes Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft. Es gehört zu den weltweit bedeutendsten Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der biologischen und geowissenschaftlichen Evolution und Biodiversität. „Wir erforschen die Erde und das Leben im Dialog mit den Menschen und prägen den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog um die Zukunft unserer Erde mit – weltweit.“ - so begrüßt das Museum seine virtuellen Besucher.

Rückhalt durch Förderung

Als „Meilenstein“ bezeichnete der Direktor des Botanischen Gartens Berlin Thomas Borsch den Schritt. Notwendig sei nun aber auch die Unterstützung der Politik. „Wir hoffen auf eine entsprechende Verstetigung der Förderung, damit wir auch in Zukunft verlässliche Daten für die Biodiversitätsforschung bereitstellen können“, betont der Professor für Systematik und Geografie der Pflanzen. „Denn sie können Antworten geben auf eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit, das weltweite Artensterben.“

„Verstetigung der Förderung“ – das steht auch beim Deutschen Museum Bonn auf der Tagesordnung. Bis Ende 2025 ist die Finanzierung gesichert, sagt Kurator Burmester. Wie es danach weitergeht? Das ist noch nicht sicher. Immerhin: Die Besucherzahlen stimmen. Rund 60.000 Gäste zählte das Museum im vergangenen Jahr. „Die Leute rennen uns die Bude ein“, so Burmester.

Auch an diesem Vormittag ist schon kurz nach der Öffnung jede Menge Leben in den „Erlebnisräumen“ – quer durch alle Altersklassen. Um den Simulator zum autonomen Fahren drängen sich Berufsschülerinnen, die kurz zuvor noch einen eher reservierten Eindruck machten. „Bei Gott, mir wird voll schwindelig!“ Ein paar Schritte weiter informiert sich eine Gruppe älterer Herren mit stillem Staunen darüber, wie KI darauf trainiert wird, Gegenstände wie eine Apfelsine oder ein Zebra zu erkennen.

Eine Etage tiefer kommt bei den Zweitklässlern der Regenbogenschule Sinzig lautstarke Begeisterung auf, als Museotainerin Michel und ein Kollege Roboterhund „Unitree Go2“ vorführen. Ralph Burmester beobachtet das Ganze mit einem Schmunzeln. Der Hund, so sagt er, stehe zugleich für Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz. Ursprünglich sei die Technik für den bewaffneten Einsatz im Häuserkampf entwickelt worden. „Aber man kann so einen Roboterhund auch nach einem Erdbeben auf die Suche nach Verschütteten schicken.“

Derart grundlegende Fragen treiben die Grundschüler gerade eher nicht um. Fasziniert beobachten sie, wie sich der Roboterhund mit etwas staksigen Schritten im Raum bewegt. Zum Schluss wollen ihn alle streicheln. Lehrerin Tanja Nitsche wird wenig später von einem „ganz tollen Morgen“ sprechen, den sie mit ihrer Klasse im Museum erlebt habe. „Lehrreich, spannend und unterhaltsam“ sei es gewesen. Ein Fazit, das ganz offensichtlich auch ihre Schülerinnen und Schüler teilen. „Das ist das beste Museum auf der ganzen Welt“, sagt eine von ihnen. „Was kann es Schöneres geben?“, fragt Kurator Burmester, bevor er sich verabschiedet. Es wartet schließlich noch jede Menge Arbeit, zurück in der Zukunft.

Interview mit Prof. Thomas Martin: „Chemie zum Anfassen“

Interview mit Prof. Thomas Martin: „Chemie zum Anfassen“

Prof. Thomas Martin lehrt seit 16 Jahren an der Hochschule Merseburg. Außerdem ist der gebürtige Augsburger Vorsitzender des Vereins Sachzeugen der chemischen Industrie (SCI). Der SCI wiederum ist Initiator des Deutschen Chemie-Museums Merseburg. Im Interview mit dem VAA Magazin blickt Martin zurück – und schaut auf die Herausforderungen der Zukunft.

VAA Magazin: Merseburg hat als Standort des Deutschen Chemie-Museums eine gewisse Geschichte …

Martin: Wir liegen im schon lange Zeit bekannten Chemiedreieck von Halle-Merseburg-Bitterfeld. In Halle entstand ab 1964 die Chemiearbeiterstadt Halle-Neustadt. Das war eine Reißbrettsiedlung nach sozialistischen Vorstellungen mit einer kompletten Grundversorgung für die Einwohner. Eine Einheit aus Wohnen, Einkaufen, medizinischer Versorgung und Freizeit. Natürlich sollte in gewisser Weise auch die kulturelle Bildung eine Rolle spielen und deswegen hat man damals schon die Idee gehabt, ein Museum einzurichten. Es sollte die Errungenschaften der chemischen Industrie in den Buna- und Leuna-Werken zeigen. Aber das ist dann zunächst im Sande verlaufen.

Wie ging es weiter?

Nach der Wende wurde die Idee wieder aufgegriffen. Allerdings nicht von staatlicher Seite, sondern vor allem durch meinen Vorgänger Prof. Klaus Krug. Der hat den Wandel hier in der Region gesehen und gesagt: „Mensch, das ist doch die Gelegenheit, um ein Chemiemuseum hier an der Hochschule Merseburg aufzubauen.“ Zunächst hat sich 1993 ein Verein gegründet, die Sachzeugen der Chemischen Industrie (SCI). Auf dem Gelände des Betriebshofs der Hochschule landeten bald die ersten Exponate, denn zu dieser Zeit wurden ja viele Werke und Betriebe geschlossen und abgerissen.

Wer hat sich in der Anfangszeit um die teils sehr großen Objekte gekümmert?

Damals gab es Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, um entlassene Arbeitskräfte aus der Region aufzufangen. Bei uns waren bis zu hundert Menschen tätig, um die Exponate aufzuarbeiten, sie sicher zu machen und von allen chemischen Rückständen zu reinigen, sodass sie dann tatsächlich auch zugänglich gemacht werden konnte. Mit der Expo 2000 öffnete das Deutsche Chemie-Museum seine Pforten.

Was zeichnet das Museum aus?

Bei uns erleben Sie Chemie zum Anfassen. Das gleicht einen Nachteil der Sammlung aus. Denn das, was Sie bei uns sehen, befindet sich nicht mehr am Originalstandort. Da unterscheiden wir uns beispielsweise vom Hüttenmuseum Thale, vom Filmmuseum Wolfen oder, um mal die Region zu verlassen, von der Zeche Zollverein in Essen. Wir könnten auch gar kein Museum an den originalen Standorten einrichten, denn die chemische Industrie ist hier ja nach wie vor aktiv. Die Produktion ist sogar um ein Vielfaches höher als vor 30 Jahren. Allein die Sicherheitsvorkehrungen würden einen Publikumsverkehr verhindern. Stattdessen können Sie nach Merseburg kommen und hier einen sehr authentischen und wirklichkeitsnahen Einblick in die Geschichte und die Produktionsprozesse der chemischen Industrie erhalten.

Motor des Museums ist nach wie vor der SCI. Was treibt Sie als Vorsitzender um?

Nach der Wende hatten wir 400 Mitglieder, fast alles langjährige Führungskräfte aus der chemischen Industrie. Daher ergaben sich übrigens immer wieder Kontakte zum VAA. Inzwischen sind es nur noch 200 und ich gehöre mit meinen 60 Jahren zu den Jüngeren. Kurz gesagt: Wir freuen uns über jedes „junge“ Mitglied.

Zahlen und Fakten

Naturwissenschaft und Technik live erleben
In über 20 Ausstellungen zeigt das Deutsche Museum auf der Münchener Museumsinsel viele Exponate und bietet Experimente aus den Bereichen Naturwissenschaft und Technik, Luftfahrt, Chemie, Robotik und Gesundheit zum Anfassen und Ausprobieren. Was ist Strahlung? Gibt es Atome? Was ist Quantenphysik? Diese Fragen und viele mehr werden hier mit Exponaten wie der Geißlerschen Röhre, der originalen Curie-Apparatur oder dem ersten deutschen Zyklotron, mit Demonstrationen unter anderem zur Halbwertszeit oder der Inszenierung zu „Schrödingers Katze“ beantwortet. Allein der Bereich Atomphysik umfasst 270 Quadratmeter Ausstellungsfläche, 67 Exponate, neun Medienstationen, 16 Demonstrationen und drei Inszenierungen. Naturwissenschaft und Technik kann man hier live erleben.

Forum für Künstliche Intelligenz
Elf Großmonitore bilden das Herzstück einer Großinstallation, die den „Denkvorgang“ eines vielschichtigen neuronalen Netzes sichtbar machen kann. Ein Bilderkennungssystem wird über eine Kamera mit verschiedenen Objekten konfrontiert. Auf den Monitoren kann man live verfolgen, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Informationen verarbeitet mit beeindruckenden Ergebnissen. Diese Installation ist eine Kooperation des Museums mit dem „Ars Electronica Futurelab“ in Linz an der Donau, einer der weltweit führenden Institutionen für elektronische Medienkunst. Und nicht nur damit überzeugt die Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums mit ihrer „Mission KI – Erleben. Verstehen. Mitgestalten“ auf 1.400 Quadratmetern und zwei Ebenen. Das Eintauchen in die Welt der KI ist sehr vielfältig und spannend dargestellt. Interaktive und unterhaltsame Exponate und Demonstrationen zeigen die aktuellen Entwicklungen der KI. Für ein aktives Museumserlebnis sorgen aber auch echte Mitarbeiter – die Museotainer –, die entstehende Fragen den Museumsgästen anschaulich erklären. Denn das gemeinsame Gespräch über die Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz ist das zentrale Anliegen der „Mission KI" im Forum für Künstliche Intelligenz.

Was Menschen bewegt
1.500 historische und aktuelle Exponate zeigt das Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München, verteilt in drei Ausstellungsbereiche, und eröffnet den Besuchern die Geschichte der Themen Stadtverkehr, Reisen und Mobilität. Vom Rennauto bis zur Dampflok, vom Hochrad bis zum ICE – im Verkehrszentrum ist nahezu alles zu erkunden, mit dem man sich auf der Erde bewegen kann. Platzierte Themeninseln um die Schausammlung herum zeigen beispielsweise das Verkehrs-ABC mit einem historischen Schilderwald oder beleuchten die Themen Sicherheit und Rettung. Wichtiges Thema: die Zukunft der Mobilität. Zu welchem Mobilitätstyp gehören die Besucherinnen und Besucher? Die Ideengeber des Museums haben sich Gedanken gemacht: Wie sich zukünftige Mobilität gestaltet, hängt vom individuellen Mobilitätsverhalten ab, aber auch von der Technik, die Menschen nutzen. Die Themeninseln sollen symbolisieren, welche Umweltprobleme der Verkehrssektor aufwirft und was zur Lösung der Probleme beitragen kann. Kurzum – was Menschen bewegt.

Die faszinierende Welt der Luftfahrt
8.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in historischen und neuen Gebäudeteilen, ein Freigelände mit Landebahn, dazu beeindruckende Objekte vom Lilienthal-Gleiter bis zum Eurofighter, vom Flugboot bis zur Rakete: In der Flugwerft des Deutschen Museums in Schleißheim erzählen etwa 70 Flugobjekte, Motoren und Modelle ihre eigene Luftfahrtgeschichte. Das aktuelle Highlight ist Otto Lilienthals Normalsegelapparat, der gerade in einem eigenen Atelier in der Flugwerft Schleißheim untergebracht und von einem Team von Spezialisten restauriert wird. Weltweit gibt es nur noch vier im Original erhaltene Normalsegelapparate. Der Gleiter soll ab 2025 in der Flugwerft Schleißheim gezeigt werden, 2028 auf die Museumsinsel gebracht werden – ein großer Moment für die dann neu eröffnete Ausstellung Historische Luftfahrt. Ein Gelände als Symbol für die faszinierende Welt der Luftfahrt.

Die Zukunft ruft!
20 oder sogar 40 Millionen Menschen könnten zukünftig in den größten Megastädten auf der Welt leben. Ein Zuhause in der Megacity? Wie kann so eine Stadt noch lebenswert sein? Das Deutsche Museum in Nürnberg nennt sich „Zukunftsmuseum“ und ermöglicht anhand vielseitiger Exponate zum Thema nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen neue Einblicke in zukunftsweisende Wohnkonzepte. Die Stadt der Zukunft wird cool und intelligent: fliegende Autos, smarte Häuser, architektonische Wunder in den Wolken und unter Wasser. Die Lösung von Verkehrs- und Umweltproblemen bleibt komplex: Wie entwickelt sich Technik weiter, und welche Herausforderungen stellen sich dabei auch an die Gesellschaft? Dies ist nur eines der Themen aus fünf Themenbereichen, verteilt auf drei Ebenen: Arbeit und Alltag, Körper und Geist, System Stadt, System Erde, Raum und Zeit.

Was ist das Deutsche Museum?
Das Deutsche Museum mit seinen fünf Standorten ist mehr als nur ein Ausstellungshaus. Es umfasst eine Bibliothek, ein Archiv, einen Verlag, eigene Werkstätten, ein Forschungsinstitut, das Kerschensteiner Kolleg und nicht zuletzt eine wertvolle Sammlung. Die Entstehungsgeschichte beginnt 1903: Oskar von Miller gründet mit Unterstützung vieler Seiten das Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik. Die Stadt München stiftet die Isarinsel als Bauplatz. Prinz Ludwig von Bayern übernimmt das Protektorat. Unternehmer und berühmte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland beraten beim Aufbau der Abteilungen. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften stiftet ihre wertvollen Sammlungen. Aus aller Welt treffen Exponate in München ein.