VAA-Jahreskonferenz 2022
Networking in Düsseldorf, Best Practice im Ehrenamt
Um Ideen auszutauschen, Impulse für die Werksgruppenarbeit zu geben und über die Arbeitswelt der Zukunft zu diskutieren, haben sich Mitglieder und Mandatsträger aus den VAA-Communitys in den Chemie- und Pharmaunternehmen Anfang November 2022 zur Jahreskonferenz des VAA in Düsseldorf getroffen. Zu den Highlights der Veranstaltung gehörte unter anderem der Vortrag von Dr. Jörg Rothermel vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) zu den Auswirkungen der Energiekrise, die durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine hervorgerufen wurde, auf die Branche. Zu New Work, dem VAA-Schwerpunktthema des Jahres, hat außerdem Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation vorgetragen.
„Wir stecken seit Beginn des Ukrainekonfliktes in einer bisher noch nie dagewesenen Energiekrise. Es herrscht hohe Ungewissheit über die Lage im nächsten Winter – die Gasspeicher werden sich in diesem Winter wieder leeren.“
Dr. Jörg Rothermel, Abteilungsleiter Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie.
Dr. Birgit Schwab, 1. Vorsitzende des VAA:
„Wir haben im letzten Jahr viele Dinge intern und extern angestoßen. Wir haben sehr offen, ehrlich, aber absolut konstruktiv diskutiert, wie wir uns als Verband und Gewerkschaft noch besser auf die Zukunft vorbereiten können. Wenn wir uns den Herausforderungen stellen und unsere Aufgaben beherzt angehen, so ist mir um diese Zukunft nicht bange.“
Engagement im Ehrenamt zahlt sich aus
Mit dem Ehrenamtspreis zeichnet der VAA jedes Jahr verdiente Mitglieder für ihr langjähriges Engagement aus. Auf der VAA-Jahreskonferenz 2022 ist diese Ehre Dr. Rudolf Fiedler und Dr. Michael Friedrich zuteil geworden. Beide haben sich im Laufe ihres Berufs- und Verbandslebens für die Belange der Kolleginnen und Kollegen in ihren jeweiligen Unternehmen sowie die Interessen der VAA-Mitglieder eingesetzt. Friedrich war lange und erfolgreich als Betriebsrat bei Sanofi aktiv und außerdem VAA-Vorstandsmitglied. Fiedler ist auch im Ruhestand unermüdlich und kümmert sich um die Aktivitäten der VAA-Pensionäre. Während die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab beiden Preisträgern persönlich gratulierte, hielten ihre Vorstandskollegen Dr. Roland Fornika und Dr. Thomas Sauer die Laudationes.
Exzellenzpreis der VAA Stiftung
Zukunft im Blick: Preisträger 2022 gekürt
Auf der VAA-Jahreskonferenz Anfang November 2022 in Düsseldorf sind Dr. Manuel Häußler, Dr. Christina Legendre und Dr. Sven Macher mit dem Exzellenzpreis der VAA Stiftung ausgezeichnet worden. Damit fördert der VAA Wissenschaft und Forschung in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen mit einem industriellen Anwendungsbezug.
Zu den Höhepunkten der jährlich stattfindenden Jahreskonferenz des VAA zählt traditionell die Verleihung des Exzellenzpreises der VAA Stiftung. Mit dem Preis werden junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für hervorragende Dissertationen im Bereich der chemisch-pharmazeutischen Wissenschaften und der Verfahrenstechnik mit jeweils 5.000 Euro ausgezeichnet.
„Der VAA zählt viele erfolgreiche und innovative Naturwissenschaftler in seinen Reihen“, betonte der Geschäftsführer der VAA Stiftung Stephan Gilow. „Unsere Mitglieder fühlen sich der Gesellschaft als Ganzes verbunden.“ Die Generation der erfahrenen Fach- und Führungskräfte gebe durch die Auszeichnung des wissenschaftlichen Nachwuchses Orientierung und Erfahrungswissen weiter. „Sie zeigt durch die Preisvergabe auf, welche Richtung die Forschung und die Industrie nehmen könnte“, so der VAA-Hauptgeschäftsführer.
Am 4. November 2022 in Düsseldorf hat es mehrere Preisträger gegeben: Dr. Manuel Häußler ist für seine Promotion bei Prof. Stefan Mecking an der Universität Konstanz zum Thema „Polyethylene-Like Building Blocks from Plant Oils for Recyclable Polymers, Nanocrystals and Ion-Conductive Materials“ ausgezeichnet worden. Preisträgerin Dr. Christina Legendre hat an der Georg-August-Universität Göttingen bei Prof. Dietmar Stalke zum Thema „Magneto-structural correlations in molecular magnets containing the S–N motive“ promoviert. Für seine Promotion bei Prof. Peer Löbmann an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zum Thema „On the Effects of Moisture on Polymer-Based Electrochromic Devices“ hat auch Dr. Sven Macher den Exzellenzpreis erhalten.
Diskutiert und entschieden über die Kandidatinnen und Kandidaten für die Preisvergabe hat die Jury des Kuratoriums der VAA Stiftung im Laufe des Jahres 2022. Das Gremium besteht aus insgesamt sieben Mitgliedern: Prof. Sabine Beuermann, Professorin für Technische Chemie an der TU Clausthal, Prof. Stefan Buchholz, Leiter der strategischen Forschungs- und Entwicklungseinheit Creavis Technologies & Innovation bei Evonik Industries und Honorarprofessor an der Universität Stuttgart, Prof. Ralf Dohrn, leitender Angestellter bei der Bayer AG im Bereich Engineering & Technology und Honorarprofessor an der TU Hamburg, Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums und Ehrenvorsitzender des VAA, Prof. Andreas Jupke, Leiter des Lehrstuhls für Fluidverfahrenstechnik an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen University, Prof. Wolfram Koch, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), sowie Prof. Thomas Martin, leitender Angestellter bei der Dottikon ES AG und Honorarprofessor an der Universität Konstanz.
Stephan Gilow, Hauptgeschäftsführer des VAA und Geschäftsführer der VAA Stiftung:
„Unsere Branche durchlebt gerade harte Zeiten. Das ist klar. Aber wenn wir wollen, dass Deutschland auch künftig ein technologiefreundliches Industrieland bleibt, geht dies nur mit der Chemie. Und wenn wir wollen, dass wir die Herausforderungen des Klimaschutzes und der nachhaltigen Transformation meistern, geht auch das nur mit der Chemie. Deshalb ist es trotz der Krise wichtiger denn je, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern und sich mit ihnen auszutauschen. Denn sie sind diejenigen, die neue und innovative Lösungsansätze für die Probleme unserer Zeit aufzeigen.“
VAA-Aufsichtsrätetagung in Leipzig
Diskussion um Bilanzanalyse und Corporate Governance
Wie lassen sich mögliche Risiken und Krisensignale für Unternehmen durch die gezielte und kritische Analyse der Jahresabschlüsse erkennen? Welche Anforderungen stellt der Deutsche Corporate Governance Kodex an Mitglieder von Aufsichtsräten? Darüber haben rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Kreise der VAA-Mandatsträger in den Aufsichtsgremien verschiedener Unternehmen auf ihrer Herbsttagung Mitte Oktober 2022 in Leipzig diskutiert.
Dr. Friederike Stehmann im Porträt
Traumberuf Verfahrenstechnik
Von Timur Slapke
Erst die Mitglieder füllen einen Verband wie den VAA mit Leben. Dabei handelt es sich um Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Berufsbildern und Lebenswegen. So haben etwa 20 Prozent der VAA-Mitglieder einen ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund. Deshalb sind im Laufe des Jahres Ingenieurinnen und Ingenieure aus den Reihen der VAA-Mitgliedschaft in einer Porträtserie vorgestellt worden, die sich in verschiedenen Karrierephasen befinden und etwas zu erzählen haben. Zum Abschluss der Serie im Porträt: Dr. Friederike Stehmann von der Werksgruppe Bayer Nordrhein.
Schon während ihrer Studienzeit in Braunschweig hat sich Friederike Stehmann mit Herzblut für ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen eingesetzt. Beispielsweise hat sie Erstsemestern unter die Arme gegriffen, um bei der Orientierung zu helfen. „Ich habe auch Tutorien betreut und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin Übungen durchgeführt und Vorlesungen gehalten. Es war mir damals und ist mir heute noch wichtig, dass man als Student nicht alleingelassen wird.“ Kein Wunder, dass die bei der Bayer AG tätige Verfahrensingenieurin Anfang August 2022 Referentin auf der Hochschulveranstaltung an der TU Dortmund war. Gemeinsam mit Vertretern des VAA und Karriereexperten der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) hat sie nützliche Tipps gegeben und aus ihrer eigenen Erfahrung berichtet.
„Wir haben uns damals im Studium unsere Fächer auch mal danach ausgesucht, wo wir uns die besten Noten erhofften und erwarteten“, erzählt Stehmann. „Das ist im Rückblick sicher nicht ganz so schlau gewesen, denn man lernt damit weniger.“ Ihr Ratschlag an heutige Studentinnen und Studenten? „Ich würde mir eher ansehen, welches Fach ich später im Job brauche.“ Wenn man das noch nicht wisse, dann könne das gewählte Fach zumindest helfen, um herauszufinden, wo die eigenen Interessen und Fähigkeiten liegen. „Also wenn ich mir eine Vorlesung zum Apparatebau anhöre, erfahre ich schon, ob mich das interessiert oder nicht“, findet die Ingenieurin. Man solle auch auf das Interesse schauen, nicht nur auf die Noten. „Ich habe das Gefühl, dass es auch für die Arbeitgeber wichtiger ist, dass man für etwas brennt, als dass man einen Topabschluss hat, ohne die richtige Leidenschaft zu entwickeln.“
Bei Friederike Stehmann steht die Leidenschaft für ihr Fach im Vordergrund. Auch ihr Arbeitgeber Bayer wusste dies von Anfang an zu schätzen. „Vor vier Jahren habe ich in dem zentralen Bereich Engineering & Technology angefangen und mich vor allem mit Destillation und Extraktion beschäftigt. Für diese beiden Grundoperationen war ich mit meinen Kollegen bayerweiter Ansprechpartner.“ Immer wenn es zum Beispiel Fragestellungen beim Betrieb oder bei der Neuanschaffung gab, hat Stehmann gemeinsam mit ihrem Team Versuche und Simulationen durchgeführt, um zusammen mit dem Produktionsbetrieb eine gute Lösung zu finden.
„In meinem aktuellen Job bei Bayer Crop Science in Dormagen entwickle ich seit gut zwei Jahren die neuen Produktionsprozesse für Pflanzenschutzmittel“, berichtet Friederike Stehmann. Wie läuft so etwas genau ab? „Nachdem unsere Forschung einen neuen Wirkstoffkandidaten identifiziert hat, entwickeln wir die Produktionsprozesse dafür. Im Team hinterfragen wir, wie die Chemie funktioniert, welche Lösemittel gebraucht werden, wie lange gerührt und reagiert wird und einiges mehr.“ Dieser Optimierungsprozess dauere einige Monate bis Jahre, bis tatsächlich die erste Produktion im Umfang von mehreren hundert Kilogramm gefahren werde. „Das ist dann immer noch Material für die Forschung, zum Beispiel für Toxizitätsstudien. Danach wird weiter an Prozessverbesserungen gearbeitet und es folgen weitere, immer größere Produktionskampagnen.“ Es werde von Jahr zu Jahr immer mehr Tonnage, bis irgendwann die Mengen erreicht werden, die in dem für kleinere bis mittlere Tonnagen ausgelegten Vielzweck-Betrieb nicht mehr bewältigt werden können. „Dann wird die Produktion übergeben an einen anderen Betrieb im Konzern.“
Im Vielzweck-Betrieb im Chempark Dormagen bestehen Produktionsmöglichkeiten vom Labormaßstab über Miniplant mit zehn Litern und die Pilotanlage mit 600 Litern bis zur echten Produktionsanlage von sechs bis zwölf Kubikmetern. „Kurz gesagt: Von fünf Gramm bis 100 Tonnen können wir alles machen bei uns.“ Sobald es um die ersten Kilos geht, sind auch die Verfahrensingenieure involviert. „Unser Team besteht aus acht Chemikern, fünf Verfahrensingenieuren für die jüngeren Wirkstoffe und zwei Verfahrensingenieuren, die sich konzernweit um seit Jahren bestehende Verfahren kümmern. Wir spielen uns gegenseitig die Aufgaben zu und lösen die Probleme gemeinsam.“
Wer der in Köln lebenden Bayer-Ingenieurin zuhört, glaubt ihr sofort: Aktuell hat sie eine Stelle, die ihr richtig viel Spaß macht. „Das ist der Traum eines jeden Verfahrenstechnikers. Man kann sich jede Grundoperation anschauen und findet überall Verbesserungsmöglichkeiten.“ Hinzu kommt: Man könne auch viel an der Nachhaltigkeit drehen, indem die Prozesse energieeffizienter und ressourcenschonender gestaltet werden. „Das ist genau das, was ich auch im Studium gelernt habe.“
Jobmesse als Wegweiser
Ihre Begeisterung für Ingenieurwissenschaften hat Friederike Stehmann erst relativ spät entdeckt. „Als Schülerin wollte ich nicht unbedingt Ingenieurin werden. Ich wusste, was in Biologie und Mathematik gemacht wird oder womit sich Ärzte beschäftigen, aber ich hatte keine genaue Vorstellung von Ingenieuren.“ Die Verfahrenstechnik gab es in Stehmanns Weltbild gar nicht. „Es war ein Zufall, dass ich mich auf einer Abi-Messe nach Bioingenieurwesen erkundigt habe.“ Ihr wurde gesagt, dass dieser Studiengang infrage komme, wenn man Mathe und Bio gut könne. „Die Aufgaben, die im Berufsbild beschrieben wurden, haben mir gefallen.“
Im Studium des Bioingenieurwesens an der TU Braunschweig hat die aus dem Münsterland stammende Jungingenieurin recht schnell gemerkt, dass sie mit den Themen wirklich gut zurechtkommt. Auch Braunschweig hat in ihre Lebensplanung gepasst: „Das war weit genug von meiner Heimat, um auszuziehen und sich ein bisschen abzunabeln, aber trotzdem noch ausreichend nah, um am Wochenende öfter nach Hause zu den Eltern zu kommen.“
Für Friederike Stehmann waren die ersten vier Semester, die man üblicherweise fürs Vordiplom gebraucht hat, die schwierigsten. „Da hat man auch am ehesten die schlechteren Noten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das am Stoff liegt oder daran, dass man sich in einer neuen Situation neu orientieren und auf eigenen Beinen stehen muss.“ Es gebe eben am Anfang des Studiums viele Ablenkungen, die einen vom Lernen abhalten. „Ich bin in fünf Jahren fertig geworden und habe die Vereinbarkeit zwischen dem Lernen und dem Studentenleben ganz gut hinbekommen.“ Stehmann gehört zu den letzten Diplom-Jahrgängen, aber die Anforderungen und die Struktur ihres Studiengangs haben sich durch die Umstellung auf das Bachelor-Master-System im Grunde wenig verändert.
„Bio“ wirkt als „Köder“
„In meinem Studiengang waren die Geschlechter ziemlich gleich verteilt“, blickt Friederike Stehmann auf den Frauenanteil zurück. Das liege auch an der Spezifik des Bioingenieurwesens: „Irgendwie scheinen Frauen mit dieser Studienbezeichnung viel mehr anfangen zu können als mit reinen Ingenieurstudiengängen. Auch mich hat der Zusatz ‚Bio‘ damals geködert.“ Die Studentinnen seien im Laufe des Studiums auch drangeblieben, sodass es am Ende etwa genauso viele Absolventinnen wie Absolventen gab. Im Gegensatz dazu stehen die übrigen Ingenieurfächer: „In den ersten Semestern hatten wir viele Vorlesungen mit den Maschinenbauern zusammen, wo fast nur Männer da waren.“
Um mehr Frauen für den MINT-Bereich zu begeistern, scheint der Bio-Zusatz ein geschickter Schachzug zu sein. „Einerseits ist es schon traurig, dass man einen Studiengang so nennen muss, um Frauen anzulocken, obwohl er wirklich ein waschechter Ingenieurstudiengang ist und nur wenig mit Biologie zu tun hat“, findet Stehmann. „Andererseits bin ich froh, dass es so ist, weil ich selbst dieses Fach sonst definitiv nicht studiert hätte.“
In den Chemiestudiengängen ist es nach wie vor Usus, eine Promotion an das Masterstudium anzuschließen – laut GDCh-Statistik der Chemiestudiengänge für das Jahr 2021 liegt die Quote bei 84,7 Prozent. Aber Ingenieure promovieren generell seltener als Chemiker, weiß Friederike Stehmann zu berichten. Sie hat jedoch schon während ihrer Diplomarbeit gemerkt, dass ihr die Forschungsarbeit Spaß macht. „Auch habe ich festgestellt, dass ich einfach noch nicht bereit war, nach dem Diplom in die Industrie zu gehen. Deswegen habe ich promoviert – und es war auch der richtige Schritt.“
Ob Ingenieurinnen und Ingenieure eine Promotion brauchen oder nicht, hängt ganz davon ab, was sie beruflich vorhaben. „Wenn ich Spaß daran habe, zu schauen, wo noch ein Kessel in die Anlage passt, wie die Leitungen verlegt werden, und die Bestellungen der richtigen Teile koordinieren möchte, dann ist eine Promotion aus meiner Sicht nicht nötig“, findet Friederike Stehmann. „Ein Betriebsingenieur braucht keinen Doktor. Die Erfahrung im Job ist viel wichtiger.“ Mehr noch: Es gebe Jobs, bei denen eine Promotion sogar hinderlich sei. „Wenn ich aber Verfahren entwickeln möchte, also mich frage, wie man die Filtration verbessert und eine Energiebilanz erstellt, dann ist eine Promotion besser, um mich auf den Job vorzubereiten.“
Bei den Ingenieuren dauert eine Promotion drei bis fünf Jahre. „Das ist eigentlich wie ein echter Job in einem richtigen Projekt“, erklärt Stehmann. „Man arbeitet in Vollzeit an einem Industrieprojekt und schreibt dann parallel dazu seine Doktorarbeit.“ Konkret hat sich die Bioingenieurin mit der reaktiven Adsorption in der Abgasreinigung beschäftigt. Dieses Thema war Teil eines größeren Verbundprojektes. „Ich habe in Kooperation mit anderen Partnern an einem Projekt zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien gearbeitet. Wir haben eine richtige Recyclinganlage entwickelt, aufgebaut und sogar für drei Monate betrieben.“
Berufseinstieg bei Bayer
Noch während ihrer Promotion hat Friederike Stehmann parallel an Projekten in der Verdampfung gearbeitet – es ging um Destillation und Fluiddynamik. „Mein Doktorvater und mein erster Chef bei Bayer kennen sich gut, daher der erste Kontakt“, erinnert sich Stehmann. „Bei Bayer war, kurz nachdem ich meine Doktorarbeit eingereicht habe, eine Stelle frei, auf die ich mich beworben habe.“ Bestehende Prozesse zu optimieren und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen, war ein idealer Einstieg für die frisch promovierte Verfahrensingenieurin. „Ich bin dann von Braunschweig nach Köln gezogen und hatte es zu meinem Arbeitsort in Leverkusen nicht weit.“ Beim Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern fühlt sich Friederike Stehmann rundum wohl. „Bayer hat schon früher zu meinen Favoriten als potenzieller Arbeitgeber gehört. Für mich war es klar, dass in der Chemiebranche gerade für Verfahrenstechniker ausgezeichnete Perspektiven bestehen.“
Kurz nach dem Berufseinstieg ist Friederike Stehmann vom langjährigen VAA-Mitglied Dr. Ralf Dohrn angesprochen worden. Der leitende Angestellte bei Bayer im Bereich Engineering & Technology ist zugleich Honorarprofessor an der TU Hamburg und Mitglied im Kuratorium der VAA Stiftung. „Dohrn hat mich ziemlich schnell davon überzeugt, dass der VAA für meine Bedürfnisse wirklich sehr gut aufgestellt ist.“ Was ist für sie der ausschlaggebende Vorteil, Mitglied im VAA zu sein? „Das Netzwerk“, so Stehmann. „Klar: Der Rechtsschutz ist ein toller Benefit, den man gern mitnimmt, wobei ich bislang keinen Beratungsbedarf hatte.“ Gut sei außerdem, dass der VAA sich für die Zukunft der Arbeitswelt engagiert und darüber diskutiert: „Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Wie lassen sich flexible Arbeitszeiten gestalten? Da finde ich es wichtig, dass sich gerade jüngere Menschen engagieren und mitreden.“
Einsatz im Ehrenamt
Seit 2022 ist Friederike Stehmann Mitglied im Vorstand der VAA-Werksgruppe Bayer Nordrhein. „Ich hatte ursprünglich als Bereichssprecherin in Leverkusen angefangen und war als Ersatzmitglied im Werksgruppenvorstand auch bei den Vorstandssitzungen dabei. Nach meinem Standortwechsel bin ich auch ganz offiziell in den Vorstand gewählt worden.“ Bei den regelmäßigen Vorstandstreffen werde immer sehr produktiv diskutiert. „Thematisch werden dann Arbeitsgruppen gebildet und bei Bedarf ziehen wir auch die VAA-Juristen beratend hinzu.“
„Wenn ich von Studenten um Rat gefragt werde, empfehle ich immer, ein Praktikum in Unternehmen zu machen. Praktika und Erfahrungen in der Projektarbeit helfen sehr, sich auszuprobieren und kennenzulernen.“
Dr. Friederike Stehmann, Bayer-Ingenieurin, VAA-Mitglied und Hochschulreferentin.
Im Gespräch wirkt die Verfahrensingenieurin ausgeglichen, überzeugend und zufrieden. Für Friederike Stehmann stimmt die Balance zwischen Karriere, Freizeit und Ehrenamt. Sie ist glücklich mit dem Berufsweg, den sie für sich selbst gefunden hat. Sie kommt noch einmal zurück auf die Hochschulveranstaltung in Dortmund, bei der sie als Referentin dabei war: „Wenn ich von Studenten um Rat gefragt werde, empfehle ich immer, ein Praktikum in Unternehmen zu machen. Praktika und Erfahrungen in der Projektarbeit helfen sehr, sich auszuprobieren und kennenzulernen.“ Aus eigener Erfahrung weiß sie zudem: Auch Jobmessen lohnen sich. „Bei mir hat schließlich die Abi-Messe entscheidend zur Berufswahl beigetragen. Als Abiturientin kennt man die Studiengänge nicht und lernt auf Messen Bereiche kennen, die man gar nicht auf dem Schirm hatte.“
Den breit gefächerten Bereich der Verfahrenstechnik und des Prozessingenieurwesens hat Dr. Friederike Stehmann nun schon lange auf dem Schirm. Auch die Unterschiede zwischen Chemikern, die mit über 40 Prozent immerhin die Mehrheit der VAA-Mitgliedschaft ausmachen, und Ingenieuren sind ihr durchaus bewusst. „Bei uns im Team verstehen die Chemiker ganz genau, wie die Chemie aussieht.“ Beim Blick auf die Molekülstruktur wüssten sie schon, was damit passieren könnte, wenn weitere Komponenten ins Spiel kommen. Die Ingenieurin ist voll des Lobes: „Ich finde es wahnsinnig beeindruckend, wie tief dieses chemische Verständnis reicht. Unsere Chemiker sind auch unglaublich kreativ, was die Syntheseoptimierung betrifft.“
Bei vielen anderen Themen kommen die Verfahrensingenieure ins Spiel. „Was geht vorn herein und was kommt hinten heraus? Wie reduzieren und verwerten wir die Abfallströme? Wie skalieren wir vom Labor auf den Betriebsmaßstab?“ Das sind Fragen, die von Ingenieurinnen und Ingenieuren beantwortet werden. Auch sie sind kreativ, weil es eigentlich kaum ein Schema F gibt, das einfach abgearbeitet werden kann. „Jedes Problem sieht anders aus und so ist auch die Lösung immer unterschiedlich.“ Und Friederike Stehmanns Team zeigt im Kleinen, wie die Industrie, die nach der Chemie benannt ist, im Großen am besten funktioniert: als Zusammenspiel unterschiedlichster Berufsgruppen, die gemeinsam an Lösungen für die Zukunft arbeiten.