Interview mit Ilga Möllenbrink

Aufhebungsvertrag: Abschluss richtig vorbereiten

In der Rechtsberatung des VAA gehören Trennungsprozesse zum Tagesgeschäft. Dabei geht es um fristlose und ordentliche Kündigungen, häufig um Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen oder Vorruhestandsregelungen. Ob der Hintergrund in Umstrukturierungen, Leistungsmängeln oder einem Fehlverhalten liegt, ist einerlei, erklärt VAA-Juristin Ilga Möllenbrink im Interview mit dem VAA Magazin. Am Ende steht die Trennung. Das Team der VAA-Juristen betreut die VAA-Mitglieder hierbei frühzeitig, wenn ein Trennungsprozess bevorsteht, über die Abwicklung der Beendigung bis hin zu Problemen beim Arbeitslosengeld.

VAA Magazin: Die VAA-Juristen betreuen sehr viele Trennungsprozesse. Wie muss man sich das als VAA-Mitglied vorstellen?

Möllenbrink: Bestenfalls meldet sich das VAA-Mitglied frühzeitig. Gibt es Umstrukturierungen in seinem Bereich und könnte die Funktion entfallen, gilt es, Augen und Ohren offenzuhalten, um möglichst viele Informationen aus dem Unternehmen zu generieren und sich sogleich mit dem VAA in Verbindung zu setzen. Gleiches gilt für erfolgte Abmahnungen, etwaiges Fehlverhalten, Complianceverstöße oder ähnliche Situationen.

Bei einer Kündigung vertritt der VAA das Mitglied im Kündigungsschutzprozess. Was ist hier zu tun?

Bei Erhalt der Kündigung ist es sehr wichtig, dass sich das Mitglied sofort beim VAA meldet. Denn ab Zugang der Kündigung laufen Fristen, die einzuhalten sind. Zunächst läuft die Drei-Wochen-Frist, innerhalb welcher eine Kündigungsschutzklage erhoben werden muss. Weniger bekannt ist die unverzügliche Zurückweisung einer Kündigung, wenn der Unterzeichner nicht zur Kündigung berechtigt ist.

Welche Arten der Kündigung gibt es?

Es gibt die betriebsbedingte, die verhaltensbedingte und die personenbedingte Kündigung. Letztere ist eher selten, denn dabei geht es meist um eine krankheitsbedingte Kündigung, an die hohe Voraussetzungen zu stellen sind. Der Arbeitnehmer muss sehr lange Fehlzeiten und eine negative Prognose aufweisen, sodass nicht mehr mit einer Weiterbeschäftigung zu rechnen ist beziehungsweise diese nicht mehr interessengerecht ist.

Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob wirksame Abmahnungen vorliegen, die geeignet sind, eine solche zu rechtfertigen. Bei der betriebsbedingten Kündigung stellt sich die Frage, ob der Arbeitsplatz überhaupt weggefallen ist und tatsächlich keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz besteht. Hier stellt sich die Frage: Hätte gegebenenfalls ein anderer Mitarbeiter gehen müssen, der jünger ist, weniger lange Betriebszughörigkeitszeiten aufweist, weniger oder keine Kinder hat oder nicht schwerbehindert ist?

Was ist das Ziel der Kündigungsschutzklage?

Die Kündigungsschutzklage richtet sich immer auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und die Weiterbeschäftigung. Auch wenn das Verfahren häufig damit ausgeht, dass ein Anstellungsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird, ist es keine Klage auf Zahlung einer Abfindung.

Welche Art der Beendigung ist bei VAA-Mitgliedern am häufigsten?

Da es sich bei VAA-Mitgliedern in der Regel um hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte sowie Führungsnachwuchskräfte handelt und die Unternehmen nicht gern zum Arbeitsgericht möchten, sind Aufhebungsverträge am häufigsten.

Was ist bei Aufhebungsverträgen zunächst zu beachten?

Die erste Frage, die ich dem Mitglied stelle, ist, ob er oder sie überhaupt aus dem Unternehmen ausscheiden möchte.

Gibt es denn eine Wahl?

Natürlich. Ein Aufhebungsvertrag beinhaltet grundsätzlich ein Angebot, das der oder die Betroffene annehmen oder ablehnen kann. Das ist leider vielen Mitgliedern nicht bewusst und natürlich erstaunt diese Frage zunächst.

Wie erläutern Sie den Mitgliedern diese Frage?

Der Anstellungsvertrag beinhaltet nicht nur Rechte und Pflichten für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber. Dieser muss nicht nur das vereinbarte Gehalt zahlen, sondern dem Arbeitnehmer eine vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen. Ist die Funktion entfallen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine neue gleichwertige Aufgabe zu suchen. Leider wissen das viele Arbeitnehmer nicht – und der Arbeitgeber klärt sie natürlich nicht auf.

Muss der Arbeitnehmer sich mit jeder anderen Funktion zufriedengeben?

Nein. In beinahe jedem Anstellungsvertrag befindet sich ein sogenannter Versetzungsvorbehalt, der sinngemäß besagt, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine andere gleichwertige Tätigkeit zuweisen kann, wenn es erforderlich ist. Diese Ausgestaltung des Direktionsrechts gibt dem Arbeitgeber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, eine gleichwertige Funktion auf gleicher Hierarchieebene und bei gleicher Bezahlung zuzuweisen.

Wie sieht die Praxis diesbezüglich aus?

Leider machen sich die meisten Unternehmen nicht die Mühe, eine adäquate Beschäftigung zu suchen und anzubieten. Eine Trennung gegen Geld ist für sie oft einfacher.

Wie sieht das weitere Vorgehen aus?

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass man an einer Weiterbeschäftigung interessiert ist. Und gerade ältere Arbeitnehmer sollten klarmachen, dass sie sich vorgestellt haben, bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten. Sodann sollte der Mitarbeiter den Trennungsprozess nicht forcieren, sondern sich passiv verhalten und nicht auf den Arbeitgeber zugehen und nachfragen. Es gilt, Zeit zu gewinnen. Denn je länger der Trennungsprozess hinausgezögert wird, desto länger besteht das Anstellungsverhältnis – und das Beendigungsdatum wird hinausgeschoben, Monats- oder Quartalsgrenzen werden überschritten.

Entschließt man sich dann für den Aufhebungsvertrag, ist seit einer recht jungen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2019 darauf hinzuweisen, dass es für Aufhebungsverträge nunmehr das sogenannte Gebot des fairen Verhandelns gibt. Kurz zusammengefasst ist eine Verhandlungssituation demnach unfair, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und über­legte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder unmöglich macht.

Sind Kündigungsfristen auch in Aufhebungsverträgen einzuhalten?

Ein klares Ja. Sollte davon abgewichen werden, kommt es zu Problemen bei der Bundesagentur für Arbeit. Im schlechtesten Fall gibt es neben einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist und gleichzeitiger Zahlung einer Abfindung ein Ruhen des Arbeitslosengeldes. Die Leistungszeit ist nicht nur verkürzt, die Leistungen werden auch erst später gezahlt.

Es geht bei einem Aufhebungsvertrag also nicht nur darum, eine möglichst hohe Abfindung auszuhandeln.

Genau. Es sind viele verschiedene Faktoren in einem Aufhebungsvertrag zu prüfen und zu berücksichtigen. Bei einer kurzen Betriebszugehörigkeit ist keine hohe Abfindung zu erzielen, sodass es sinnvoll sein kann, eine Verlängerung des Anstellungsverhältnisses über die eigentliche Kündigungsfrist hinaus anzustreben, um mehr Zeit für die Suche einer neuen Beschäftigung zu haben. Das Arbeitsverhältnis ist ordnungsgemäß abzuwickeln. Das heißt: Es sollte festgehalten werden, dass nicht nur das Gehalt bis zur Beendigung gezahlt wird, sondern auch eine Regelung zum Bonus aufgenommen wird.

Was empfehlen Sie hier?

Die Auszahlung des Bonus im Jahr des Ausscheidens ist zu regeln, sodass auch bei unterjährigem Ausscheiden ein anteiliger Bonus gezahlt wird. Dies sollte auch bei einer Freistellung der Fall sein, denn schließlich hat der Arbeitgeber es zu vertreten, dass durch die Freistellung nicht mehr am Bonus gearbeitet werden kann. Ein Dienstwagen muss bis zum Beendigungszeitpunkt zur Verfügung gestellt werden und es ist eine Regelung über die betriebliche Altersversorgung aufzunehmen.

Darüber hinaus sollte bei Zahlung einer Abfindung auch ein Steuerberater einbezogen werden, der sich mit Abfindungszahlungen auskennt, um eine möglichst steueroptimierte Auszahlung zu erreichen. Der Kooperationspartner des VAA – Steuerberater Lutz Runte – ist hier ein versierter Ansprechpartner. Es kann viel Geld gespart werden, wenn zum Beispiel die Abfindung erst im darauffolgenden Jahr ausgezahlt wird.

Außerdem ist eine sogenannte Fluchtklausel aufzunehmen, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, vorzeitig aus dem Anstellungsverhältnis auszuscheiden, um flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren zu können. Die ausstehenden Monatsgehälter sollten dann zu 100 Prozent abfindungserhöhend ausgezahlt werden. Bestenfalls ist eine Regelung zu treffen, dass zum Beendigungszeitpunkt ein Zeugnis mit einer bestimmten, bereits zuvor festgelegten Note erstellt wird. Ein Recht, das Zeugnis vorzuformulieren, kann hilfreich sein, um Einfluss auf ein zeitnahes Erstellen und den Inhalt des Zeugnisses zu haben. So lassen sich Streitigkeiten über das Zeugnis vermeiden.

Ist eine Outplacement-Beratung immer sinnvoll?

Um bei der Jobsuche zügig voranzukommen, ist eine Outplacement-Beratung in der Regel sinnvoll – auch hier hat der VAA geeignete Kooperationspartner. Die Bewerbungsunterlagen werden den aktuellen Gepflogenheiten angepasst und es gibt eine berufliche Standortbestimmung des Arbeitnehmers sowie eine gezielte Vorbereitung der Bewerbungsgespräche.

Haben Sie noch weitere Tipps für den Aufhebungsvertrag?

Manche Unternehmen übernehmen bei einer Sperrzeit die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Es sollte nicht versäumt werden, zu prüfen, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht und ob Ansprüche auf Erfindervergütung festzuhalten und etwaige Arbeitgeberdarlehen zurückzuzahlen sind. Auch die Geltendmachung ausstehender Reisekosten und Spesen ist zu prüfen, um alle Ansprüche aus einer in der Regel vereinbarten Erledigungsklausel auszunehmen.

Bei einigen Unternehmen gibt es Wertkonten, die es abzuwickeln gilt. Scheidet man vor der rentennahen Entsparung des Wertkontos aus dem Unternehmen aus, hat der Arbeitnehmer drei Möglichkeiten, um über das angesparte Vermögen zu verfügen: Es kann an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden, auf einen anderen Arbeitgeber übertragen werden, wenn dieser ebenfalls über Wertkonten verfügt, oder an die Rentenversicherung übertragen werden, wenn ausreichend Geld angespart wurde.

Was gilt bei anderen Beendigungen wie der Altersteilzeit oder Vorruhestandsvereinbarung?

Einige der bereits genannten Punkte sind hier ebenfalls zu berücksichtigen, wie zum Beispiel das Einhalten der Kündigungsfrist. Wesentlich ist hier aber die Beratung hinsichtlich der verschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Aspekte.

Geht es dabei nicht nur um die Beantragung der Rente?

Kurz gefasst ist das sicher richtig. Aber nicht nur Rentenabschläge und fehlende Einzahlungen von Rentenbeiträgen können zu einer geringeren Altersversorgung führen, wenn die Rente vorzeitig in Anspruch genommen wird, sondern auch Kürzungen bei der betrieblichen Altersversorgung, wenn diese vor dem Versorgungsfall in Anspruch genommen wird. Eine Kontenklärung sowohl bei der Rentenversicherung als auch bei der betrieblichen Altersversorgung schützt vor bösen Überraschungen.

Was ist im Hinblick auf die Bundesagentur für Arbeit zu beachten?

Bei einem Aufhebungsvertrag und allen weiteren Beendigungsvereinbarungen ist in der Regel mit einer Sperrzeit zu rechnen, wenn der Arbeitnehmer keinen wichtigen Grund hat, diese abzuschließen. Es besteht die Möglichkeit, diese zu vermeiden, wenn der Arbeitgeber zum gleichen Zeitpunkt unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt hätte. Der VAA unterstützt hier mit der passenden Formulierung, soweit diese im Einzelfall möglich ist. Wird der Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen abgeschlossen, kann ebenfalls eine Sperrzeit vermieden werden. Hier ist jedoch immer eine Klärung im Einzelfall vorzunehmen.

Gibt es weitere Sanktionen?

Zunächst hat der Arbeitnehmer immer darauf zu achten, dass er sich rechtzeitig, das heißt unverzüglich bei Kenntnis des Eintritts der Arbeitslosigkeit, spätestens jedoch drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, persönlich bei der Arbeitsagentur am Wohnort meldet. Versäumt er dies, erhält er eine Sperrzeit wegen verspäteter Meldung.

Schließlich kann es noch zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldes kommen, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten und eine Abfindung gezahlt wird. In diesem Fall werden die Leistungen erst dann gezahlt, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Bestenfalls sollte daher die Kündigungsfrist immer eingehalten werden, insbesondere weil der oder die Betroffene während des Ruhens des Arbeitslosengeldes nicht über die Bundesagentur für Arbeit kranken- und rentenversichert ist. Die Beiträge dafür müssen dann selbst gezahlt werden.

Sowohl die Sperrzeit als auch das Ruhen des Arbeitslosengeldes können über die Inanspruchnahme eines Dispositionsjahres vermieden werden. Hier wird eine rechtzeitige Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt, aber die Leistungen werden erst genau ein Jahr später in Anspruch genommen. Da sehr viele Details zu beachten sind, ist eine frühzeitige Beratung über den VAA sehr hilfreich – insbesondere dann kann viel Geld gespart werden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

Jahresstatistik zum Juristischen Service

Beratungsbedarf im Krisenjahr weiter gestiegen

Im Jahr der schwersten politischen Krise in Europa seit dem Ende des 2. Weltkrieges und der durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufenen wirtschaftlichen Turbulenzen haben die VAA-Mitglieder den Juristischen Service des VAA noch stärker in Anspruch genommen als zuvor während der beiden Coronajahre: Die Fallzahlen bei der Rechtsberatung, beim Rechtsschutz und beim Rechtsbeistand sind zum Teil deutlich gestiegen.

Gegenüber dem zweiten Coronajahr ist die Gesamtzahl der Rechtsberatungen durch die VAA-Juristen erneut gestiegen – von 4.200 im Jahr 2021 auf rund 4.400 im letzten Jahr. Zur allgemeinen Rechtsberatung zählen beispielsweise telefonische und persönliche Beratungstermine zu verschiedenen arbeits- und sozialrechtlichen Themen. „Wir haben schon gemerkt, dass unsere Mitglieder 2022 insgesamt noch etwas mehr Beratungsbedarf gehabt haben als noch während der Coronakrise“, berichtet VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow. Im Vergleich zum Vorjahr sei jedoch die Gewichtung bei den Beratungsthemen weitgehend gleichgeblieben: „Nach wie vor geht es viel um Aufhebungsverträge und Kündigungen“, so Gilow. „Auch Fragen rund um flexible Arbeitsmodelle bei der Rückkehr aus dem Homeoffice ins Büro stehen einmal mehr im Vordergrund.“ Aber im Zusammenhang mit dem Krieg und der Energiekrise sei die wachsende Besorgnis in der VAA-Mitgliedschaft schon zu spüren.

Was zeichnet den Juristischen Service des VAA aus? „Unsere Juristinnen und Juristen sind spezialisiert auf die Chemie- und Pharmaindustrie“, erklärt VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow. „Sie kennen sich genau mit den branchenspezifischen Eigenheiten aus und wissen auch über die Probleme in den einzelnen Unternehmen Bescheid.“ Die jahrelangen Erfahrungen in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Bedürfnisse außertariflicher und leitender Angestellter seien ein weiterer Beratungsvorteil. „Deswegen gehört der Juristische Service, dessen Leistungsumfang das Angebot üblicher Rechtsschutzversicherungen klar übertrifft, zu den wichtigsten Dienstleistungen unseres Verbandes.“

Im Vergleich zum Vorjahr ist das Team des Juristischen Service unverändert geblieben. Ihm gehören Christian Lange, Hinnerk Wolff, Pauline Rust, Thomas Spilke, Ilga Möllenbrink, Stephan Gilow, Stefan Ladeburg, Catharina Einbacher, Christof Böhmer und Dr. Torsten Glinke an (im Gruppenbild von links nach rechts). Stephan Gilow hebt das Teamwork hervor: „Ob in der VAA-Geschäftsstelle Köln oder im VAA-Büro Berlin: Wir sind seit Jahren ein hervorragend eingespieltes Team und arbeiten ausschließlich im Interesse unserer Mandantinnen und Mandanten.“ Von der Gewissheit, mit dem Juristischen Service einen starken Rückhalt zu haben, wenn es darauf ankomme, profitieren am Ende alle VAA-Mitglieder. „Das gilt auch für diejenigen, die bislang noch keine Rechtsberatung in Anspruch genommen haben.“

Unterschied zwischen Rechtsschutz und Beistand

2022 ist die Zahl der sogenannten Rechtsschutzfälle von 236 im Vorjahr auf nunmehr 248 gestiegen. Bei den Beistandsfällen war ebenfalls ein Wachstum von 296 auf 318 zu verzeichnen. „Auf den Unterschied zwischen Rechtsberatung, Rechtsbeistand und Rechtsschutz werden wir immer wieder angesprochen“, erzählt Stephan Gilow. „Zur Rechtsberatung gehören alle Beratungen, die kein Eintreten des VAA als offizieller Beistand gegenüber dem Arbeitgeber erfordern. Wird der VAA in der Kommunikation mit dem Unternehmen zwischengeschaltet, wird aus einer Beratung ein Beistandsfall. Wenn wir dann noch vor Gericht ziehen, haben wir einen Rechtsschutzfall.“ In den meisten Fällen sei es aber gelungen, eine Eskalation der Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Wenn es hart auf hart kommt, ist der VAA als Anwalt seiner Mitglieder bereit, so weit zu gehen wie nötig, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. „Wir hatten in unserer Praxis auch Fälle, in denen wir bis vor das Bundesarbeitsgericht und sogar bis zum Bundesverfassungsgericht gezogen sind“, erläutert VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow. Aber man versuche natürlich, sich so früh wie möglich in die Konflikte einzuschalten und mit den Arbeitgebern zu verhandeln. „Das beste Ergebnis für unsere Mitglieder lässt sich häufig eher durch einen außergerichtlichen Vergleich erzielen als durch einen langwierigen Prozess vor Gericht.“

Urteil

BAG: Verfallfrist für Urlaubsansprüche beginnt erst nach Belehrung

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Eine Arbeitnehmerin hatte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses von ihrem Arbeitgeber zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro erhalten. Die Arbeitnehmerin forderte allerdings die Abgeltung von insgesamt 101 Arbeitstagen, was der Arbeitgeber ablehnte. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach. Eine entsprechende Klage der Arbeitnehmerin wurde vom Arbeitsgericht abgelehnt – das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach der Arbeitnehmerin hingegen 17.376,64 Euro zur Abgeltung der weiteren 76 Arbeitstage zu. Anders als der Arbeitgeber sah das LAG den entsprechenden Urlaubsanspruch nicht als verjährt an.

Diese Auffassung wurde nun vom Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt (Urteil vom 20. Dezember 2022, Aktenzeichen: 9 AZR 266/20). Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung laut BAG auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne jedoch nicht zwangsläufig mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Damit hat das BAG eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umgesetzt. Das BAG hatte dem EuGH im Rahmen des Verfahrens die Frage vorgelegt, ob eine Verjährung des Urlaub gemäß §§ 194 Absatz 1 und 195 BGB nach drei Jahren mit dem Europarecht vereinbar sei, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten hinsichtlich der Verjährung des Urlaubs gegenüber der Arbeitnehmerin nicht nachkomme.

Der EuGH entschied, dass der Zweck der Verjährungsvorschriften – die Gewährleistung von Rechtssicherheit – in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurücktreten müsse, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des gesetzlichen Mindesturlaubs zu schützen.

VAA-Praxistipp: Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber der klagenden Arbeitnehmerin seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt und sie somit nicht in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Deshalb verfielen ihre Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums noch konnte der Arbeitgeber sich auf die Verjährung der Ansprüche nach drei Jahren berufen.