Deutscher Chemie-Preis 2023
Lyondellbasell gewinnt zum ersten Mal
2023 ist die Lyondellbasell Industries Basell Polyolefine GmbH zum ersten Mal mit dem Deutschen Chemie-Preis des VAA ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung auf dem Werksgelände des Unternehmens in Wesseling nahm Tassilo Bader den Preis persönlich entgegen. Der Vorstandsvorsitzende des vorherigen Preisträgers Schott AG Dr. Frank Heinricht hielt die Laudatio.
Aus Sicht der Jury des VAA sei es eine einfache Entscheidung gewesen, so die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab. „Die diesjährige VAA-Befindlichkeitsumfrage bestätigte den erfolgreichen Aufstieg der Lyondellbasell seit 2013. Belegte das Unternehmen vor zehn Jahren noch den letzten Platz, so verzeichnete es seither einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Insbesondere seit 2021 wurde die Aufwärtsbewegung immer dynamischer.“ Schwab verwies auf die nachweisbar gute Stimmung gerade unter den jungen Beschäftigten des Unternehmens. Es zeige vorbildhaft, wie gute Personalarbeit funktioniere: „Das wird von den Fach- und Führungskräften honoriert.“
Als besonders bemerkenswert bezeichnete Birgit Schwab das hervorragende Abschneiden des Unternehmens im Zusatzranking „Sustainable Leadership“: „Lyondellbasell befasst sich strategisch diesem Thema, es legt den Fokus auf den schonenden Einsatz von materiellen Ressourcen und engagiert sich zeitlich und finanziell auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit.“
Die Verleihung des Deutschen Chemie-Preises fand auf dem Werksgelände des Unternehmens statt. Vonseiten des letzten Preisträgers Schott gratulierte der Vorsitzende des Vorstandes Dr. Frank Heinricht: „Lyondellbasell ist seiner Verantwortung und den vielfältigen Herausforderungen im vergangenen Jahr in beeindruckender Weise gerecht geworden. Gerade in diesen unruhigen Zeiten kann man die Erfolge bei der Personalarbeit und das Engagement in der Nachhaltigkeit nicht hoch genug einschätzen.“
In seiner Dankesrede betonte der Standortleiter Wesseling/Knapsack bei Lyondellbasell Tassilo Bader: „Wir warten nicht auf die Zukunft – wir setzen alles daran, sie zu gestalten. Die enormen Investitionen in innovative Technologien, Kreislaufwirtschaft und CO2-Reduktion sowie in die Aufstockung unseres Personals, zeigen, dass die Transformation von Lyondellbasell in vollem Gange ist.“ Die Unternehmensleitung habe sehr couragierte Entscheidungen getroffen. Kreislaufwirtschaft und Transformation seien für das Unternehmen zentral. „Wir sind hier auf einem guten Weg.Wir sind alle hochmotiviert, den erforderlichen Wandel mit dem hohen Tempo, das wir auch und gerade in den derzeit schwierigen Zeiten zeigen, sehr aktiv mitzugestalten. Auf die Vielzahl der positiven Entwicklungen bei Lyondellbasell und an unserem Standort sind wir sehr stolz.“
Den Chemie-Preis verleiht der VAA bereits seit 2008. Grundlage für die Entscheidung ist die VAA-Befindlichkeitsumfrage, die jährlich unter 7.000 Fach- und Führungskräften in den größten 23 Chemie- und Pharmaunternehmen in Deutschland durchgeführt wird. Das Werk im Kölner Süden ist ein bedeutender Teil der Lyondellbasell-Firmengruppe, die im Januar 2008 durch die Fusion der niederländischen Basell-Gruppe mit dem amerikanischen Unternehmen Lyondell entstand und heute der drittgrößte Chemiekonzern der Welt ist. Mit seinen 19.200 Beschäftigten produziert Lyondellbasell weltweit wichtige Materialien, Produkte und Lösungen für moderne Herausforderungen. Sie werden verwendet für Sonnenkollektoren, Windturbinen, Kinderspielzeug oder Kosmetika. Andere Anwendungsbeispiele sind Verpackungen für den Transport und Schutz von Lebensmitteln, die Wasserversorgung in Kommunen, die durch widerstandsfähige Rohre gesichert ist, und zahlreiche medizinische Produkte, die Hygiene und Gesundheit gewährleisten. Am Standort Wesseling und Hürth-Knapsack sind rund 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, darunter rund 150 Auszubildende.
Dr. Frank Heinricht, Vorsitzender des Vorstands der Schott AG:
Lyondellbasell ist seiner Verantwortung und den vielfältigen Herausforderungen im vergangenen Jahr in beeindruckender Weise gerecht geworden. Gerade in diesen unruhigen Zeiten kann man die Erfolge bei der Personalarbeit und das Engagement in der Nachhaltigkeit nicht hoch genug einschätzen. Bei der Zukunftsgestaltung ist jedes Unternehmen gut beraten, seine Fach- und Führungskräfte in Veränderungsprozesse voll zu integrieren. Lyondellbasell hat dies in den letzten Jahren vorbildlich getan. Insofern ist der Deutsche Chemie-Preis Anerkennung, aber auch Ansporn zugleich.
Nachhaltige Führung
Personal häufig noch nicht im Fokus
Am 8. Dezember 2023 wurde die Lyondellbasell Industries Basell Polyolefine GmbH vom VAA für ihre vorbildliche Personalarbeit mit dem Deutschen Chemie-Preis ausgezeichnet. Ein wichtiges Kriterium für die Auszeichnung war das gute Abschneiden des Unternehmens bei der Zusatzbefragung zum Thema „Nachhaltige Führung“, die im Rahmen der Befindlichkeitsumfrage 2023 durchgeführt wurde. Neben den guten Noten für Lyondellbasell hat die Befragung auch gezeigt, dass beim Thema Nachhaltigkeit in vielen Unternehmen materielle Ressourcen deutlich stärker im Fokus stehen als nachhaltiger Umgang mit dem Personal.
Für die fünf Zusatzfragen zum Thema „Sustainable Leadership“, die im Mai 2023 im Rahmen der VAA-Befindlichkeit abgefragt wurden, fällt die Gesamtbewertung mit einem Mittelwert von 3,4 auf der Schulnotenskala eher bescheiden aus. Lyondellbasell erreicht mit einer Gesamtwertung von 2,7 den zweiten Rang im Zusatzranking. Lediglich die Schott AG aus Mainz schneidet hier besser ab.
Die positivsten Bewertungen vergaben die VAA-Mitglieder in den 23 an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen bei den Fragen danach, ob sich ihr Unternehmen überhaupt strategisch mit dem Thema „Sustainable Leadership“ befasst und ob in der Führungskultur ein starker Fokus auf den schonenden Einsatz von materiellen Ressourcen gelegt wird (Durchschnittsnote jeweils 3,0). Einen starken Fokus auf die Schonung personeller Ressourcen attestieren dagegen deutlich weniger VAA-Mitglieder ihren Arbeitgebern (Durchschnittsnote 3,7).
Sowohl bei der materiellen als auch bei der personellen Nachhaltigkeit wurde die entsprechende Kultur im Unternehmen allerdings besser bewertet als die Fragen danach, ob für die jeweilige Nachhaltigkeitsdimension auch zweckgebundene finanzielle Mittel und zeitliche Freiräume bereitgestellt werden: Hier vergaben die Befragten im Durchschnitt nur eine 3,4 (Mittel/Freiräume für materielle Nachhaltigkeit) beziehungsweise eine 3,8 (Mittel/Freiräume für personelle Nachhaltigkeit). Katja Rejl, die als Vorsitzende der VAA-Kommission Führung maßgeblich an der Entwicklung der Zusatzfragen beteiligt war, sieht darin einen klaren Handlungsauftrag für die Unternehmen: „Die Ergebnisse zeigen, dass viele Arbeitgeber bei der Nachhaltigkeit noch deutlichen Nachholbedarf haben, wenn es um den Aspekt der personellen Ressourcen geht. Nachhaltige Führung darf sich nicht auf Botschaften zum Umweltschutz in Werbeprospekten beschränken, sondern muss gelebt werden. Und dazu gehört auch der nachhaltige Umgang mit den Mitarbeitern.“
Interview mit Prof. Christian Grund und Alexandra Soboll
VAA-Einkommensdaten als Quelle für die Wissenschaft
Anfang Februar 2024 ist die neue Runde der VAA-Einkommensumfrage gestartet. Prof. Christian Grund begleitet die Durchführung und Auswertung der Umfrage seit 2008 von wissenschaftlicher Seite. Im Interview erläutert er gemeinsam mit Alexandra Soboll, die sich seit 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl um die Umfrage kümmert, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse jenseits der VAA-Auswertungen aus den erhobenen Daten gewonnen werden können.
VAA Magazin: Welche Datenquellen sind für wissenschaftliche Forschung zum Thema Einkommen geeignet und was unterscheidet die VAA-Einkommensumfrage in diesem Zusammenhang von anderen Erhebungen?
Grund: Für wissenschaftliche Untersuchungen lassen sich zum Beispiel Daten aus repräsentativen Umfragen wie dem sozioökonomischen Panel in Deutschland nutzen. Dieses Panel enthält viele Arbeitnehmer und hat den Vorteil, dass es insgesamt repräsentativ für Deutschland ist. Anders als bei den Daten aus der VAA-Einkommensumfrage gibt es allerdings keine Zuordnung zu Unternehmen und man hat auch nur den Bruttolohn, keine Entlohnungsbestandteile. Zudem ist ein bunter Strauß an Personen in dem Panel enthalten, sodass keine Vergleichbarkeit gegeben ist. Man kann also allgemeine Auswertungen machen, die aber viel weniger in die Tiefe gehen, weil dezidierte Informationen fehlen. In dieser Hinsicht ist die VAA-Einkommensumfrage wirklich einmalig.
Wie sieht es mit Daten von Personalberatungen aus?
Grund: Ich habe keinen genauen Einblick in alle Daten von Personalberatungen. Aber alle, die ich gesehen habe, waren deutlich schlechter als die Daten aus der VAA-Einkommensumfrage. Sie enthalten viel weniger Beobachtungen und deutlich weniger Informationen zu den Teilnehmern und der Art ihrer Tätigkeit. Natürlich kann es sein, dass eine Personalberatung ein Projekt mit einem Unternehmen durchführt und direkt auf die Daten zugreifen kann. Das ist dann aber meist zeitpunktbezogen und bezieht sich natürlich nur auf das einzelne Unternehmen. Man kann also keine Vergleiche zwischen Unternehmen anstellen. Und am wichtigsten ist: Im besten Fall handelt es sich um einen wiederholten Querschnitt, aber es liegt kein Längsschnitt vor wie bei der Einkommensumfrage. Und gerade der Längsschnitt ermöglicht viele interessante wissenschaftliche Ansätze.
Frau Soboll, Sie erstellen am Lehrstuhl von Professor Grund auf Basis der Umfrageergebnisse Auswertungen, die der VAA in Form von Broschüren, dem Gehalts-Check sowie für Werksgruppen- und Branchenauswertungen nutzt. Darüber hinaus nutzen Sie selbst die Daten aber auch für die wissenschaftliche Forschung. Wie läuft das ab?
Soboll: Im ersten Schritt überlegen wir uns am Lehrstuhl, welche Fragenstellungen oder Zusammenhänge auf Basis der Daten betrachtet werden können, die mit Blick auf den Stand der Forschung oder für die Praxis interessant sein könnten. Dann bilden wir für diese Zusammenhänge entsprechende Hypothesen. Im nächsten Schritt werden die Rohdaten, die aus der Umfrage zur Verfügung stehen, entsprechend der Fragestellung weiter aufbereitet. Beispielsweise wird auf einen bestimmten Zeitraum oder bestimmte Personengruppen eingegrenzt. Dann werden die Daten mithilfe von statistischen Verfahren und Analysemethoden ausgewertet und die Hypothesen getestet. Im besten Fall liefern die Ergebnisse Antworten auf die Fragen, die wir uns eingangs gestellt haben. Dabei achten wir selbstverständlich darauf, dass nicht auf einzelne Datensätze von Personen oder einzelne Unternehmen rückgeschlossen werden kann, um den Datenschutz zu gewährleisten. Wir geben die Daten natürlich auch nicht an Dritte weiter.
An welchen Fragestellungen arbeiten Sie persönlich?
Soboll: Im Rahmen meiner Promotion beschäftige ich mich mit der Selbstbeurteilung der Leistung, die seit einigen Jahren im Rahmen der Einkommensumfrage abgefragt wird. Anhand der VAA-Daten konnten wir feststellen, dass sich ein Großteil der Umfrageteilnehmer im Verhältnis zu ihren Kollegen selbst eine höhere Leistung zuschreibt. In einem ersten Projekt haben wir uns mögliche Einflussfaktoren auf diese Selbsteinschätzung angeschaut, beispielsweise die Hierarchiestufe und monetäre Aspekte wie Bonuszahlungen und Steigerungen beim Fixeinkommen. In einem zweiten Projekt haben wir untersucht, welche Konsequenzen diese Selbsteinschätzung haben kann. Zum Beispiel, ob die Selbsteinschätzung mit der Arbeitszufriedenheit und der späteren Job-Performance der Teilnehmer in Zusammenhang steht.
Herr Grund, sie begleiten die Einkommensumfrage seit mehr als 15 Jahren. Welche anderen Themenschwerpunkte und Erkenntnisse auf Basis der Umfragedaten gab es seit 2008?
Grund: Das kann man in verschiedene Bereiche einteilen. Als es damals losging, gab es fast keine Daten zur Rolle von Bonuszahlungen. Dann kam direkt die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09, bei der natürlich hinsichtlich Einkommen sehr viel passiert ist. Mit der damaligen Mitarbeiterin am Lehrstuhl habe ich mir genauer angeguckt, wie sich das entsprechend auf die Bonuszahlungen ausgewirkt hat. Wir hatten rund 1.000 Personen in der Einkommensumfrage, die wir in einem Vierjahreszeitraum von 2008 bis 2011 verfolgen konnten, um die Entwicklung vom Einbruch der Bonuszahlungen bis zum Wiederanstieg zu verfolgen und auszuwerten. Im Mittelwert, aber auch in der Verteilung, denn es gibt ja immer Gewinner und Verlierer.
Ein anderer Bereich, der auch stark von den Vorteilen der VAA-Einkommensdaten profitiert, sind Vergleichsprozesse. Dadurch, dass wir gute Informationen über die Hierarchieebene der Teilnehmer haben, können wir Aussagen dazu treffen, wie sich das Einkommen einer Person entwickelt im Vergleich zu anderen, die im gleichen Unternehmen oder in einem anderen Unternehmen auf einer vergleichbaren Stelle arbeiten. Ein weiterer Themenbereich, den wir mithilfe der Umfragedaten untersucht haben, sind Unterbrechungen der Erwerbskarriere. Dazu konnten wir beispielsweise ein Paper zu den Auswirkungen von Elternzeit auf Gender-Pay-Gaps veröffentlichen.
Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Grund: Wir haben bei der Analyse der Daten festgestellt, dass sich der Großteil der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen darüber erklären lässt, dass die Männer im VAA älter sind, auf höheren Hierarchieebenen arbeiten oder andere Faktoren abweichen. Aber in etwa sechs Prozent der Einkommensunterschiede konnten wir damals nicht erklären anhand der vorhandenen Daten. Wir haben dann in der Einkommenskommission des VAA darüber gesprochen, dass dieser Teil eventuell durch Erwerbsunterbrechungen erklärbar sein könnte und deshalb eine entsprechende Frage in die Umfrage aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt kam der Vorgänger von Frau Soboll an unseren Lehrstuhl und hat diese Daten ausgewertet. Dabei konnten wir unter anderem zeigen, dass Elternzeiten einen weiteren Teil der Gender-Pay Gaps-erklären können. Sehr spannend ist dabei der Vergleich zwischen Frauen mit Elternzeit und Männern mit Elternzeit: Hier drehen sich die Gender Pay Gaps sogar um. Die Gruppe der Männer, die ein Jahr Elternzeit genommen hat, verdient weniger als die Frauen mit einem Jahr Elternzeit.
Die aktuelle Einkommensumfrage ist Anfang Februar gestartet. Warum ist eine möglichst hohe Zahl von zurückgesendeten Fragebögen für die Auswertungen so wichtig?
Soboll: Je mehr Personen teilnehmen, desto genauer ist das Bild, das wir von der Einkommenssituation bekommen. Es gilt aber auch: Auswertungen für einzelne Unternehmen oder Werksgruppen setzen voraus, dass eine ausreichende Zahl an Personen teilnimmt, denn die statistischen Verfahren brauchen eine gewisse Mindestanzahl an Rückläufen, um valide Ergebnisse zu generieren.
Sind die Daten von Mitgliedern, die zwischendurch nicht teilgenommen haben, für den Längsschnitt denn überhaupt noch nutzbar?
Grund: Es gibt statistische Verfahren, die auch bei einem nicht vollständigen Längsschnitt die Informationen nutzen können. Jede Teilnahme zählt und auch, wenn man es in einem Jahr mal nicht geschafft hat, ist ein Wiedereinstieg immer sinnvoll. Wir sind allen VAA-Mitgliedern, die sich an der Umfrage beteiligen, sehr dankbar.