Kommentar von Roland Angst

Wahl entscheidet!

Kommentar von Roland Angst

Wahl entscheidet!

2024 war geprägt von Umbrüchen, Kriegen und Wahlen. Insbesondere der Sieg Donald Trumps hat eine enorme Bedeutung nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt. Er wirft auch auf Deutschland einen großen Schatten und hat das Zeug, der Bevölkerung deutlicher als bisher klarzumachen, dass auch die kommende Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung sein wird. Die Wählerinnen und Wähler werden sich zwischen einem „Weiter so“ und einem politischen Neuanfang entscheiden müssen. Bei der Union ist von einem angestrebten „Politikwechsel“ die Rede. In der Tat lassen die außenpolitischen Herausforderungen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine und der Forderungen Trumps nach einem größeren Engagement der NATO-Mitgliedstaaten auf einen Paradigmenwechsel schließen. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird Deutschland wesentlich stärker für seine eigene Sicherheit sorgen müssen. Viele Äußerungen von Merz, Habeck und Lindner lassen vermuten, dass diese Botschaft angekommen ist. Das schließt eine engere Zusammenarbeit mit europäischen Partnern ein, vor allem mit Frankreich und Polen. Die sträflich vernachlässigte Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten Nachbarstaaten gerade auf dem Gebiet der Sicherheit wird wahrscheinlich als eines der schwerwiegendsten Versäumnisse der letzten Bundesregierung erkannt werden.

Dennoch können die demokratischen Parteien in Deutschland immer noch nicht vom Primat der Innenpolitik Abstand nehmen. An der historischen Last, auf fast allen wichtigen Zukunftsgebieten in den letzten 20 Jahren Urlaub gemacht zu haben, tragen sie schwer. Wichtig ist umso mehr, dass die Menschen auch hier erkennen: Gerade in der Wirtschafts-, Sozial- und Innenpolitik geht es um eine Richtungsentscheidung. Die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute sind für 2025 wenig optimistisch. Sollte es nicht bald gelingen, die Standortprobleme mit Reformen in den Griff zu bekommen, ist der weitere wirtschaftliche Abstieg unvermeidlich. Senkung der Steuerlast für Unternehmen, Reform des Bürgergelds, echte Entbürokratisierung klingen vernünftig, das Stoppen der irregulären Migration auch. Die Frage der Wahlentscheidung ist gar nicht so schwer: Die Wählerinnen und Wähler müssen nicht auf rechts- oder linksextreme Parteien ausweichen, um ihren Präferenzen Nachdruck zu verleihen. Denn innerhalb der Mitte des Parteienspektrums stehen bei Klimaschutz, Energie- und Gesellschaftspolitik echte Alternativen zur Wahl. Die Union ist wieder als konservativ erkennbar  – SPD und Grüne sind davon deutlicher abgrenzbar. Allerdings wäre die Option, dass die FDP als ordoliberale Stimme nicht mehr im Bundestag vertreten sein könnte, nicht nur aus Sicht der Führungskräfte ein gravierender Verlust.

ULA Intern

Politik-Dialoge zur Wahl

Anlässlich der Neuwahlen bietet die ULA den Mitgliedern der Verbände im Netzwerk sowie interessierten Gästen eine Sonderreihe der digitalen „Politik-Dialoge“ mit führenden Vertretern der Parteien an, um den Austausch zwischen den Fach- und Führungskräften der Wirtschaft und den Bundestagsabgeordneten zu intensivieren und die verschiedenen politischen Konzepte vorzustellen. Nach dem Auftakt mit dem Stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Johannes Vogel am 15. Januar 2025 wurde die Reihe am 27. Januar mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag Bernd Rützel (SPD) fortgesetzt. Weitere Dialoge stehen mit der Bundesvorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gitta Connemann (CDU) am 13. Februar und der Sprecherin für Finanzpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Katharina Beck am 18. Februar an.

Zukunftsthemen im Fokus

Die Rolle von Führung in Zeiten exponentieller Technologien stand im Mittelpunkt des jüngsten „Führungskräfte-Dialogs“, mit dem die ULA zum Jahresabschluss in die Zukunft blickte. Robin Weninger, Managing Director des Global Institute of Leadership & Technology, forderte auch für Deutschland eine von Optimismus getragene Neuerfindung der Welt: „Wir Deutschen sollten uns auf unsere Stärken in der Forschung und technologischen Entwicklung neuer Produkte besinnen. Anstatt zu hadern, ist es die Aufgabe der Unternehmer und Führungskräfte, strategisch und operativ die Zukunft zu gestalten. Die Politik müsse durch Setzung kluger und verlässlicher Rahmenbedingungen unterstützen. Dazu gehöre vor allem eine bessere Investitionskultur.“

Gastbeitrag von Prof. Manuela Rousseau

Gesellschaftliche Diskurse in Unternehmen

Führungskräfte sind unverzichtbare Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Vielfalt, Freiheit, Teilhabe und Demokratie. Sie bauen Brücken zur Verständigung und schaffen durch eine offene Kommunikation ein gemeinsames Bewusstsein für eine gute Unternehmenskultur. Umso mehr in Zeiten, in denen liberale Werte und Gesellschaften weltweit offen in Frage gestellt werden.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: An Ihrem wöchentlichen Teammeeting nehmen an diesem Tag neun Frauen und fünf Männer aus drei Nationen teil. Sie sprechen die bevorstehenden Beurteilungsgespräche an, als ein Kollege folgenden Satz sagt: „Wer in unserem Unternehmen Karriere machen will, muss entweder schwul sein oder eine Frau.“ Peinliches Schweigen, stummes Grinsen. Wie hätten Sie reagiert?

In diesem Fall überging die Führungskraft, die das Teammeeting leitete, diese Aussage. Aufgewühlt von diesem Erlebnis sprach mich der betroffene Kollege danach an: „Das ganze Team weiß, dass ich seit acht Jahren mit einem Mann verheiratet bin. Ich kann nicht fassen, dass mein Vorgesetzter nicht darauf reagiert hat und dies einfach so stehen ließ. Als Betroffener hätten ich und die anwesenden Kolleginnen und Kollegen eine sofortige und eindeutige Reaktion des Vorgesetzten erwartet.“

Der Stellenwert für ein bewusstes und gezieltes Steuern der Unternehmenskultur und die starke Auswirkung auf die Geschäftsergebnisse werden oft unterschätzt. Ein Toparbeitgeber für globale Talente muss sich bewusst sein, dass eine wahrhaft inklusive Unternehmenskultur wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt. Es geht darum, eine Führungsbasis und damit eine Belegschaft zu schaffen, die die Vielfalt der Konsumentinnen und Konsumenten widerspiegeln. Unterschiede von Menschen sind keine Bedrohung, sondern eine große Chance für eine bessere Zukunft.

Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, der von uns eine extreme Veränderungsbereitschaft abverlangt, insbesondere im Hinblick auf Internationalisierung und Kulturwandel. In der durch die radikale Transformation, Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität geprägten Gegenwart sind unsere Herausforderungen weder dominant technische oder ökonomische, sondern vor allem kulturelle und soziale. Daher wird die Lösung unserer Probleme nicht gelingen, wenn wir die kulturelle und soziale Dimension nicht mitdenken.

Eine weitere zentrale Bedeutung hat die „Haltung“. Studien belegen, dass eine „intuitive“ Entscheidung – das heißt, eine professionelle Haltung mit gelebter, gelernter Professionalität unter Miteinbeziehung von Unsicherheit im Sinne von „Morgen kann alles anders als gestern sein“ – häufig einer rein rational-ökonomischen Faktorenanalyse überlegen ist. Gerade weil sie kulturelle und soziale Aspekte einbezieht, die eine rein zahlenbasierte Analyse nicht berücksichtigt. Unter Bedingungen von Unsicherheit lässt sich nicht berechnen, welche Entscheidung objektiv „richtig“ sein wird. 

Aber aus einer professionellen Haltung kann dennoch eine Handlungsrichtung entstehen. Haltung nimmt zudem Wertefragen mit in den Blick, was ebenfalls die Bedeutung kultureller und sozialer Perspektiven unterstreicht.

Schweigen ist keine Option

Gesellschaftliche Diskurse bilden das Fundament, das die Kultur eines Unternehmens wesentlich beeinflusst. Diskursfreudigkeit fördert notwendige Auseinandersetzungen und ein Betriebsklima, in dem eine humane Gemeinschaft wachsen kann, in der niemand als Verlierer zurückbleibt. Führungskräfte, Vorstände und Aufsichtsräte tragen die Verantwortung, die Weichen dafür zu stellen.

Dies belegt die Kienbaum Corporate Governance Studie vom Juni 2024: „Auch in Anbetracht der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung halten es gut 70 Prozent der Teilnehmenden für sinnvoll, dass sich Vorstände und Aufsichtsräte öffentlich an gesellschaftlichen und politischen Debatten beteiligen.“ Die Kienbaum-Studie zeigt auch, dass sich viele Vorstände und Aufsichtsräte vorgenommen haben, sich auch selbst aktiver in öffentliche Debatten einzubringen.

Beispiele aus der Praxis

Die Beiersdorf AG duldet keine Ausgrenzungen. Mit einer mehrere Diversity-Dimensionen umfassenden und globalen „DE&I-Roadmap“ (Diversity, Equity, Inclusion) schult Beiersdorf bis zum Jahr 2025 rund 3.000 globale Führungskräfte des mittleren Managements ein nachhaltiges Fundament an DE&I-Wissen, um die inklusive Führung von Teams zu stärken. Ziel ist es, Mitarbeitende weltweit für eine feinfühlige, nuancierte Verwendung von Sprache und Handlungen zu sensibilisieren, um Diskriminierungen aller Art zu vermeiden und die Hintergründe, Perspektiven und Gefühle aller Beteiligten zu achten und zu respektieren.

Wenn eine gemeinsame diversitätsoffene Haltung von Vorstand und Aufsichtsrat zu den Unternehmenswerten und den wichtigsten gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Entwicklungen diskutiert und verabschiedet wird, stärkt dies die Unternehmenskultur erheblich. Unterschiedliche Kompetenzen, Erfahrungen und Empathie im Team werden zum wahren Kompass und Maßstab, um neue und zukunftsorientierte Wege zu gehen. Oft ergibt sich daraus ein facettenreiches und größeres Meinungsspektrum, das wiederum die Qualität der Entscheidungen erhöht und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg für das eigene Geschäft beeinflusst.

Auf persönlichen Vorteil, eigene Macht und Egoismus ausgerichtetes Führungsverhalten blockiert Innovationskraft und Flexibilität im Unternehmen, für das Gemeinwohl und auch den Wohlstand von morgen. Wir brauchen Persönlichkeiten und Führungskräfte, die dem Wohl des Unternehmens, aller Individuen und damit der Gesellschaft dienen. Also Menschen, die bereit sind, alte Beurteilungs- und Kontrollsysteme infrage zu stellen, sie gegebenenfalls aufzugeben, loszulassen und neue Spielregeln aufzustellen. Wer unternehmerische Zukunft gestalten will und an tradierten Rollenmustern und Stereotypen festhält, verspielt seinen Führungsanspruch. Das „Wir“ sollte immer größer sein als das „Ich“.

Infolge des zum Einstieg skizzierten Vorfalls wurde 2019 eine interne Interessengruppe „BeYou@Beiersdorf“ gegründet – mit dem Ziel, das Bewusstsein für LGBTIQ+-Themen im Unternehmen zu schärfen und ein integratives Umfeld für alle LGBTIQ+-Menschen zu schaffen. Das Netzwerk umfasst mittlerweile weltweit 230 Mitglieder und wird von zahlreichen „Allys“, also Menschen unterstützt, die sich mit der Community solidarisch zeigen und aktiv für diese eintreten. Ein Jahr später brachte Nivea die erste Nivea-Dose in Regenbogenfarben auf den Markt und unterstützte erstmals den Hamburger Christopher Street Day mit einem Truck. Über 150 Beschäftigte sowie weitere Verbündete verschiedener Organisationen waren an diesem Tag dabei. Sie setzten unter dem Motto „Be proud in your skin“ ein deutliches Statement. Vincent Warnery, CEO von Beiersdorf, unterstützt „Be You@Beiersdorf“ als Botschafter. Seitdem entstanden zahlreiche Mitarbeitenden-Communitys und „Grassroots-Initiativen“. Sie stellen sicher, dass die Stimmen aller Mitarbeitenden gehört und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse in der DE&I-Strategie berücksichtigt werden und sie leisten mittlerweile einen wesentlichen Beitrag zur Verankerung einer wirklich inklusiven Wir-Kultur.

Weitere Publikationen zum Thema:

Manuela Rousseau im Gespräch mit Rudolf X. Ruter, 7. November 2024: Prof. Manuela Rousseau: Politischer Diskurs im Unternehmen – Podcast für den Aufsichtsrat auf Spotify.

Artikel von Prof. Guido Möllering in den ULA Nachrichten: „Chef, wen soll ich wählen?“ – zum Umgang mit politischen Diskursen in Unternehmen.

Buch von Julia Duwe: Aufsichtsrat 2030. Wie Aufsichtsräte durch Ambidextrie die Weichen für die Zukunft stellen. Enthalten ist auch ein Interview mit Prof. Manuela Rousseau „Diversität und Kräfteverschiebung“ auf den Seiten 99 bis 111.

Aufschlussreiche Einblicke von Egon Zehnder: Die Antwort des CEOs.

Interessenvertretung

Leitende Ärztinnen und Ärzte treten ULA-Netzwerk bei

Im Deutschen Führungskräfteverband ULA gibt es Zuwachs: Neu dabei seit diesem Jahr ist der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK). Im Interview mit den ULA Nachrichten sprechen VLK-Präsident Priv.-Doz. Dr. med. Michael A. Weber und ULA-Präsident Roland Angst über die Bündelung der Kräfte für eine noch bessere Interessenvertretung.

ULA Nachrichten: Welche besondere Bedeutung hat der Beitritt des VLK für das ULA-Netzwerk, insbesondere mit Blick auf die Themen Gesundheitswirtschaft und Führungskompetenz?

Angst: In der kommenden Legislaturperiode müssen grundlegende Weichenstellungen erfolgen, um unseren Wirtschaftsstandort und die Sozialsysteme wieder wettbewerbsfähig zu machen. Der Deutsche Führungskräfteverband ULA ist die Stimme für Leistung und Verantwortung. Bereits heute gibt der Verband branchenübergreifend angestellten Fach- und Führungskräften eine starke Stimme in Berlin und Brüssel. Der Beitritt des Verbands der leitenden Krankenhausärztinnen und -ärzte ist ein wichtiger Schritt, um die Position der ULA im Gesundheitssektor weiter zu stärken. Mit dem VLK gewinnt die ULA nicht nur eine starke und überaus sachverständige Stimme aus der Gesundheitswirtschaft, sondern auch neue Impulse für die Weiterentwicklung von Mitbestimmung und Führungskultur.

Die Mitglieder des VLK bringen wertvolle Erfahrungen aus einem anspruchsvollen Umfeld ein. Sie stehen für verantwortungsvolle Entscheidungen, die medizinische und betriebswirtschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Diese Expertise bereichert die politische Interessenvertretung der ULA und trägt dazu bei, gerechte Rahmenbedingungen in der Gesundheitswirtschaft zu schaffen. Darüber hinaus ermöglicht die Verbindung mit dem VLK der ULA, neue Mitgliedergruppen zu erschließen. Gleichzeitig profitieren die Mitglieder des VLK von der breiten politischen Plattform der ULA, um ihre Anliegen wirkungsvoll einzubringen.

Welche Gründe haben den VLK dazu bewogen, Mitglied der ULA zu werden?

Weber:  Gemeinsam ist man stärker. Als Mitglied der ULA haben wir die Möglichkeit, eine starke gemeinsame Interessenvertretung in den zentralen gesellschaftspolitischen Debatten mit unserer Expertise der und unseren Kontakten in die Gesundheitspolitik zu ergänzen. Die zentrale Rolle eines funktionierenden Gesundheitssystems im Sinne eines flächendeckenden, wohnortnahen Zugangs für Patientinnen und Patienten als Rückgrat für eine funktionierende beziehungsweise florierende Wirtschaft kann dabei branchenübergreifend für alle relevanten Stakeholder aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sichtbar gemacht werden. Dabei können wir zusätzlich durch die in der ULA gebündelten Erfahrungen und Kompetenzen auf weiteren Gebieten profitieren und zudem unsere die Reichweite und Schlagkraft in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch Vernetzung und Bündelung unserer Aktivitäten steigern.

Die starke Alterung der Gesellschaft und der medizinische Fortschritt stellen die gesetzlichen und privaten Anbieter der Kranken- und Pflegeversicherung als Kostentreiber vor große Herausforderungen. Welche gesundheitspolitischen Prioritäten setzt die ULA in diesem Jahr? Wie lässt sich insbesondere angesichts der hohen zusätzlich durch die Inflation getriebenen Steigerungen ein weiterer Anstieg dämpfen?

Angst: Wir müssen das Wahljahr 2025 dafür nutzen, die Rahmenbedingungen auch für das Gesundheitswesen zu verbessern. Die ULA setzt sich dafür ein, nachhaltige Veränderungen bei den Gesundheitskosten voranzutreiben. Angesichts der wachsenden Belastung durch hohe Sozialabgaben in allen Systemen der sozialen Sicherung, verbietet es sich, die Beitragszahler und die Arbeitgeber mit einem weiteren Anstieg der Gesundheitskosten zu belasten. Stattdessen müssen Reformen auf der Ausgabenseite ansetzen.

Ich nenne als Schlagworte: Prävention und Eigenbeteiligung auf Patientenseite und systemische Anreize zur Effizienzsteigerung aufseiten der Leistungserbringer. Wir wissen aber auch, dass die Steigerungsmöglichkeiten in der Effizienz irgendwann ausgereizt sind. Was uns sicher helfen wird, sind Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Denn wir brauchen schnell eine Entlastung der ärztlichen Berufe von fachfremder Bürokratie.

Meine optimistische Vision der Zukunft ist eine sprechende KI, die gleichzeitig Wegweiser, Begleiter, Schnittstelle zur Versicherung und Patientenakte et cetera einer behandlungsbedürftigen Person während ihres Aufenthaltes in einer Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung ist. Und das ärztliche Personal kann sich wieder auf die Kernaufgaben Diagnose und Therapie beschränken. Stellen Sie sich eine sprechende kleine Box zum Umhängen vor, so ähnlich wie der digitale Tourguide, den wir aus den Museen kennen.

Angesichts der stetig steigenden Kosten im Gesundheitssystem: Welche konkreten Beiträge können leitende Krankenhausärztinnen und -ärzte zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten?

Weber: Vor allem die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft lässt befürchten, dass die Kosten im Gesundheitswesen und im Bereich der pflegerischen Versorgung weiter steigen. Die im Krankenhaussektor geplanten Reformmaßnahmen werden frühestens ab 2027 eine Wirkung entfalten. Gemeint sind hier eine Effizienzsteigerung durch Zentralisierung von komplexen Leistungen und dadurch Abbau von Krankenhausstandorten sowie eine deutlich stärkere ambulante Erbringung von Operationen. In den vergangenen drei Jahren hat sich aber bei fehlender Erlösanpassung trotz Inflation und Tarifsteigerungen im Klinikbereich ein riesiger Defizitbetrag aufgebaut, der von der kommenden Bundesregierung durch eine schon lange geforderte Überbrückungsfinanzierung erst einmal ausgeglichen werden muss, bevor Einsparungen zum Tragen kommen. Sonst werden wir eine weitere deutliche Zunahme von Klinikinsolvenzen einerseits und Überlastung der Haushalte von Kommunen und anderer Träger andererseits sehen.

Welche Rolle spielen Gleichstellungsfragen für die Mitglieder des VLK und was möchten Sie dazu durch die Zusammenarbeit mit der ULA erreichen?

Weber:  Die Medizin wird weiblicher. Derzeit sind bereits über 60 Prozent der Studienabgänger im Fach Medizin weiblich – mit weiter zunehmender Tendenz. Im Bereich der Klinikleitungen sind Frauen aber weiter unterrepräsentiert, was vor allem der zu hohen Belastung durch Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste in der entscheidenden Phase der Familiengründung und Weiterbildung geschuldet ist. Die führen zu erheblichen Verzögerungen genau in den Momenten der Weiterbildung, in denen die entscheidenden Weichen gestellt werden. Aber Teilzeitanstellung und Jobsharing sind auch in Leitungsfunktionen auf dem Vormarsch und bieten sich als eine mögliche Lösung an.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten von VLK und ULA und wo können sie sich bestmöglich ergänzen?

Angst: Der VLK und die übrigen Mitgliedsverbände der ULA verfolgen dasselbe Ziel: die Interessen von Führungskräften effektiv zu vertreten und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Beide Organisationen setzen auf die Stärkung der Mitbestimmung für Führungskräfte und nachhaltige Führung. Über die vorhandene Reputation der ULA als Dachverband können fachliche Anliegen gebündelt und wirkungsvoller in Richtung Politik platziert werden.

Auf nationaler und europäischer Ebene können ULA und VLK gemeinsam großen Einfluss nehmen. Ein Beispiel dafür ist ihr Engagement gegen die Aushöhlung des deutschen Mitbestimmungsrechts durch europäische Regelungen. Die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Verbänden schafft Mehrwert für alle Beteiligten und zeigt, dass Führungskräfte durch starke Allianzen ihre Rechte und Interessen wirkungsvoll verteidigen können.

Sozialabgaben im Check

Wie politische Pläne das eigene Einkommen beeinflussen

Wie wirken sich politische Pläne zur Erhöhung der Sozialabgaben auf den persönlichen Geldbeutel aus? Mit dem neuen Sozialabgabenrechner für Fach- und Führungskräfte macht die ULA die finanziellen Auswirkungen politischer Programme zur Bundestagswahl transparent. Ab dem 30. Januar 2025 können Fach- und Führungskräfte berechnen, welche Mehrbelastungen in Zeiten leerer Sozialkassen durch die politisch häufig geforderte sprunghafte Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf sie zukommen würden.

Steigende Sozialabgaben belasten Beschäftigte immer stärker. Die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von 66.150 Euro auf das Niveau der BBG in der Rentenversicherung von bis zu 96.600 Euro sorgt für Diskussionen. Berechnungen zeigen, dass dies eine Mehrbelastung von bis zu 46 Prozent bedeuten würde. Diese „Strafsteuer auf Erfolg“ trifft insbesondere qualifizierte Fach- und Führungskräfte und schwächt ihre Kaufkraft erheblich.

ULA-Präsident Roland Angst warnt davor, dass solche Maßnahmen ohne grundlegende Reformen das Vertrauen in die Sozialsysteme gefährden könnten: „Eine sprunghafte Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze über die ohnehin schon jährlichen systembedingten Anpassungen hinaus bietet keine nachhaltige Lösung. Stattdessen braucht es tiefgreifende Strukturveränderungen, um unser Sozialsystem langfristig stabil und tragfähig zu machen.“

Der Sozialabgabenrechner zeigt anschaulich, wie sich eine sprunghafte BBG-Erhöhung auf die individuellen Nettofinanzen auswirkt. Beispielsweise müsste ein Softwareinformatiker mit einem Einkommen von 96.721 Euro jährlich bis zu 3.152 Euro mehr zahlen.

Eine weitere Belastung des Faktors Arbeit durch höhere Sozialabgaben hätte weitreichende Folgen. Zusätzliche Kosten verringern die Motivation und Kaufkraft der Beschäftigten und beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Steigende Arbeitskosten erschweren die Schaffung und Sicherung qualifizierter Arbeitsplätze und belasten die Innovationskraft. In einem angespannten wirtschaftlichen Umfeld würden diese Mehrkosten eine erhebliche Gefahr für den Wirtschaftsstandort darstellen.

Die ULA setzt sich für Reformen ein, die Leistung nicht zusätzlich belasten, sondern die Tragfähigkeit der Sozialsysteme stärken und den Wettbewerb fördern. Ziel ist es, nachhaltige Lösungen zu schaffen, die Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität gewährleisten.

Für mehr Transparenz in dieser Schlüsselfrage hat die ULA den Sozialabgabenrechner aufgesetzt. Die ULA hat sich dabei am „Arbeitgeber-Rechner“ der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) orientiert. Der neue Rechner kann von allen genutzt werden, um die Auswirkungen der politischen Pläne auf die persönlichen Finanzen zu berechnen. So lassen sich die Konzepte die Parteien zur Bundestagswahl vergleichen und die Folgen am eigenen Beispiel durchrechnen.

Notizen aus Berlin

Gemeinsam für eine zukunftsfähige Wirtschaft: ULA und BDA im Dialog

Notizen aus Berlin

Gemeinsam für eine zukunftsfähige Wirtschaft: ULA und BDA im Dialog

Laut Arbeitsvertrag sind Führungskräfte Angestellte, also Arbeitnehmer, und in ihrer Funktion häufig Vorgesetzte. Sie können in einer Person mehrere Perspektiven einnehmen, was sie zum idealen Brückenbauer im Unternehmen sowie zwischen den klassischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlagern macht. Beim Austausch des ULA-Netzwerks mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) standen im Dezember 2024 die Agenda der neuen Europäischen Kommission sowie zentrale Themen wie Wachstumsinitiative, Bürokratieabbau, Mitbestimmung und soziale Sicherung im Mittelpunkt. Der Dialog zwischen Arbeitgebern und den Vertretern der angestellten Fach- und Führungskräfte hat sich als wertvolle Tradition etabliert, um Lösungen für die drängenden Herausforderungen des Wirtschafts- und Industriestandorts zu finden. Angesichts des erheblichen Reformbedarfs und der Veränderungen, die jede kommende Regierung anstoßen muss, ist dies wichtiger denn je.

Gemeinsam für eine zukunftsfähige Mitbestimmung: ULA und DGB im Dialog

Gemeinsam für eine zukunftsfähige Mitbestimmung: ULA und DGB im Dialog

Mitbestimmung stärken, Beschäftigung sichern, Transformation gestalten – diese Stichworte bringen den Austausch zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Deutschen Führungskräfteverband ULA und und der Vertretung der Fach- und Führungskräfte in Chemie und Pharma VAA auf den Punkt. Beim Treffen im Januar 2025 in Berlin standen darüber hinaus aktuelle arbeitsrechtliche und sozialpolitische Fragen ebenso im Mittelpunkt wie die jüngsten Reformvorhaben auf EU-Ebene. Ein vertrauensvoller fachlicher Dialog zwischen der Dachorganisation der Gewerkschaften und der ULA als Stimme der angestellten Fach- und Führungskräfte ist gerade heute umso wichtiger: Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl gilt es, die Transformation des Standorts in der kommenden Legislaturperiode auch als Beschäftigte aktiv mitzugestalten sowie die Demokratie zu stärken und zu verteidigen.

FDP setzt sich für die digitale Wahl der Sprecherausschüsse ein

FDP setzt sich für die digitale Wahl der Sprecherausschüsse ein

In der Forderung der Einführung von Onlinewahlen der Sprecherausschüsse unterstützt der FDP-Bundestagsbgeordnete Carl-Julius Cronenberg die ULA. In einer schriftlichen Anfrage ans Bundeskanzleramt verlangte Cronenberg Aufklärung darüber, aus welchen Gründen die Bundesregierung die im geplanten Bundestariftreuegesetz vorgesehene Erprobung von Onlinewahlen nur auf die Betriebsräte beschränkt und die Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten davon ausgenommen hat. Die ULA hat sich in den zurückliegenden Jahren wie auch in der Stellungnahme zu dem Gesetzesvorhaben dafür eingesetzt, den Weg für die im Koalitionsvertrag vereinbarten optionalen Onlinewahlen freizumachen. Die Möglichkeit, online zu wählen, ist aus Sicht der ULA unerlässlich, um der fortschreitenden Digitalisierung gerecht zu werden und gleichzeitig die betriebliche Mitbestimmung zeitgemäß und effizient zu gestalten. Auf die Anfrage antwortete die Bundesregierung ausweichend, dass es sich bei den Onlinewahlen lediglich um ein Pilotprojekt für 2026 handele. Nach einer Evaluation könnten gegebenenfalls auch die Sprecherausschüsse aufgenommen werden. Für Cronenberg ist dies vollkommen unzureichend: Er fordert, die Onlinewahlen für alle Gremien schnell, umfassend und dauerhaft zu ermöglichen.

Weiterbildung

Aktuelle Seminare des FKI

Für Fach- und Führungskräfte bietet das Führungskräfte Institut (FKI) zahlreiche maßgeschneiderte Weiterbildungsseminare an – zu exklusiven Sonderkonditionen für VAA-Mitglieder und Mitglieder von Mitgliedsverbänden der ULA. Hier wird eine kleine Auswahl vorgestellt. Informationen zu weiteren Präsenz- und Onlineseminaren sowie zur Anmeldung gibt es auf www.fki-online.de.

ChatGPT, Copilot, Firefly & Co. – KI effektiv einsetzen
19. März 2025 – Webseminar – zweieinhalb Stunden

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist die Entwicklung atemberaubend. In Zukunft wird das Arbeitsleben immer stärker von KI-Unterstützung geprägt sein. Welche KI-Tools gibt es und wie setzt man sie ein? In diesem Seminar gibt IT-Experte und Diplomphysiker Guido Stiebitz einen Überblick und stellt die wichtigsten Werkzeuge vor.

Abfindungen durch Optimierung effizient gestalten
25. März 2025 – Webseminar – zwei Stunden

Verlassen Beschäftigte und Führungskräfte ihr Unternehmen gegen Zahlung einer Abfindung, können sie durch die richtige Gestaltung hohe Steuerersparnisse erzielen. In diesem Seminar erläutern Rechtsanwalt Gerhard Kronisch, Finanzexpertin Marion Lamberty und Steuerberater Lutz Runte die wichtigsten Grundlagen.

Souverän präsentieren und auftreten
2. April 2025 – Webseminar – zweieinhalb Stunden

Umfangreiches Fach- und Führungswissen zu haben, ist gut. Es so zu präsentieren, dass sich Zuhörer und Gesprächspartner angesprochen und überzeugt fühlen, ist besser. Referent Peter A. Worel zeigt in diesem Seminar, wie Menschen deutlich wirkungsvoller als der Durchschnitt kommunizieren und sich besser präsentieren können.

Vorschau der ULA-Termine

Vorschau der ULA-Termine

Der Deutsche Führungskräfteverband ULA führt regelmäßig Veranstaltungen zu verschiedenen Themen aus Politik, Wirtschaft und Arbeit durch, die für Führungskräfte und alle Mitglieder der ULA-Verbände relevant sind.

ULA-Politik-Dialoge zur Bundestagswahl 2025
Anlässlich der Neuwahlen zum Bundestag bietet die ULA den Mitgliedern der Verbände im Netzwerk sowie interessierten Gästen eine Sonderreihe mit führenden Vertreterinnen und Vertretern der politischen Parteien an, um den Austausch zu intensivieren und die verschiedenen politischen Konzepte hervorzustellen. Alle Sonderausgaben finden sich online auf www.ula.de.

Save-the-date: Deutscher Führungskräftetag 2025
Datum: 5. Juni 2025
Uhrzeit: 09:00 bis 22:00 Uhr
Ort: Berlin

Alle Informationen zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung sind unter www.ula.de zu finden.

Erweitertes Informationsangebot
Alle vier bis sechs Wochen informiert die ULA aktuell und umfassend über die politischen Arbeitsschwerpunkte in Berlin und Brüssel, die neuesten Trends im Bereich Führung sowie bevorstehende Veranstaltungen. Hierzu können die ULA Nachrichten – in Ergänzung zur gedruckten Fassung – auch kostenfrei als Newsletter bezogen werden. Die Registrierung erfolgt einfach und bequem online unter www.ula.de/news/ula-nachrichten.