Außerordentliche Kündigung nach Gefälligkeitsleistung im Marktbereich des Arbeitgebers?
Für eine solche Einschätzung der Rechtslage gilt die Voraussetzung: Die Leistung wird außerhalb der Arbeitszeit erbracht und geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers werden dadurch nicht berührt. Im konkreten Fall war ein Arbeitnehmer seit Oktober 2022 in einem Fliesenfach- und Natursteinhandel nebst handwerklichem Meisterbetrieb für Verlegearbeiten als Fliesenleger beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein undatierter schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, laut dem der Arbeitnehmer für regelmäßig 40 Wochenstunden und eine Stundenvergütung in Höhe von 22,61 Euro ein Monatseinkommen in Höhe von rund 4.200 Euro brutto erzielte. Im Vertrag wurde eine Probezeit von drei Monaten vereinbart, nach deren Ablauf für beide Parteien eine Kündigungsfrist von vier Wochen galt. Der Arbeitnehmer ist mit einem Grad der Behinderung von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Anfang Januar 2023 führte der Arbeitnehmer über mehrere Tage für das Unternehmen Fliesenarbeiten aus. Dabei kam es zu einem Gespräch mit den Eigentümern des Bauvorhabens darüber, ob der Arbeitnehmer bereit sei, über den vereinbarten Auftragsgegenstand hinaus im Hauswirtschaftsraum (Fläche circa fünf Quadratmeter) Bodenfliesen zu verlegen. Der Arbeitnehmer erklärte seine Bereitschaft, diese Arbeiten „nach Feierabend“ durchzuführen. Zur Ausführung der fraglichen Arbeiten kam es jedoch nicht. Kurz darauf beanstandeten die Eigentümer die ausgeführten Arbeiten gegenüber dem Unternehmen. Im Rahmen entsprechender Nacharbeiten wurde die Geschäftsführerin des Unternehmens von den Eigentümern des Bauvorhabens darauf aufmerksam gemacht, dass der Arbeitnehmer bereit gewesen sei, den Hauswirtschaftsraum außerhalb des mit dem Unternehmen begründeten Vertragsverhältnisses zu verfliesen. Daraufhin konfrontierte die Geschäftsführerin den Arbeitnehmer mit diesem Sachverhalt. In dem handschriftlichen Vermerk über das Gespräch ist festgehalten, dass der Arbeitnehmer eingeräumt habe, sich „für weitere Fliesenarbeiten im Hause als Schwarzarbeit“ angeboten zu haben.
Am folgenden Tag kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis fristlos und forderte den Arbeitnehmer auf, das ihm überlassene Firmeneigentum, unter anderem Arbeitskleidung und Werkzeug, unverzüglich herauszugeben. Gegen diese Kündigung wandte sich der Mitarbeiter mit einer Kündigungsschutz- und Feststellungsklage. Er verwies darauf, dass der für die außerordentliche Kündigung geforderte wichtige Grund nicht vorliege. Entgegen der Darstellung des Unternehmens habe er weder Schwarzarbeit angeboten noch solche ausgeführt. Dementsprechend habe er das auch nicht in einem Personalgespräch eingeräumt. Das Arbeitsgericht wies die Klage jedoch ab.
Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte der Arbeitnehmer hingegen Erfolg (Urteil vom 15.02.2024, Aktenzeichen: 8 Sa 845/23). Das LAG entschied, dass eine in einem Einzelfall vom Arbeitnehmer gegenüber einem Kunden des Arbeitgebers angebotene, dem Umfang nach geringfügige und unentgeltliche Gefälligkeitsleistung in dessen Marktbereich nicht bereits an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden sollte und dadurch geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers nicht berührt werden. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit komme es dabei nicht an.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des LAG Hamm zeigt: Die Grenzen für Gefälligkeitsleistungen im Marktbereich des eigenen Arbeitgebers sind eng gesteckt, ein entsprechendes Angebot durch einen Arbeitnehmer rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres eine außerordentliche Kündigung.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Juniausgabe 2024 veröffentlicht worden.