BAG: Verfallfrist für Urlaubsansprüche beginnt erst nach Belehrung
Konkret beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Eine Arbeitnehmerin hatte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses von ihrem Arbeitgeber zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro erhalten. Die Arbeitnehmerin forderte allerdings die Abgeltung von insgesamt 101 Arbeitstagen, was der Arbeitgeber ablehnte. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach. Eine entsprechende Klage der Arbeitnehmerin wurde vom Arbeitsgericht abgelehnt – das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach der Arbeitnehmerin hingegen 17.376,64 Euro zur Abgeltung der weiteren 76 Arbeitstage zu. Anders als der Arbeitgeber sah das LAG den entsprechenden Urlaubsanspruch nicht als verjährt an.
Diese Auffassung wurde nun vom Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt (Urteil vom 20. Dezember 2022, Aktenzeichen: 9 AZR 266/20). Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung laut BAG auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne jedoch nicht zwangsläufig mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Damit hat das BAG eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umgesetzt. Das BAG hatte dem EuGH im Rahmen des Verfahrens die Frage vorgelegt, ob eine Verjährung des Urlaub gemäß §§ 194 Absatz 1 und 195 BGB nach drei Jahren mit dem Europarecht vereinbar sei, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten hinsichtlich der Verjährung des Urlaubs gegenüber der Arbeitnehmerin nicht nachkomme.
Der EuGH entschied, dass der Zweck der Verjährungsvorschriften – die Gewährleistung von Rechtssicherheit – in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurücktreten müsse, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des gesetzlichen Mindesturlaubs zu schützen.
VAA-Praxistipp: Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber der klagenden Arbeitnehmerin seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt und sie somit nicht in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Deshalb verfielen ihre Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums noch konnte der Arbeitgeber sich auf die Verjährung der Ansprüche nach drei Jahren berufen.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Februarausgabe 2023 veröffentlicht worden.