BAG: Zustellung durch Post zu postüblichen Zeiten ist anzunehmen
Ein Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis einer Mitarbeiterin mit Kündigungsschreiben vom 28. September 2021 zum 31. Dezember 2021 gekündigt. Ein Mitarbeiter der Deutschen Post AG warf das Kündigungsschreiben am 30. September 2021 in den Hausbriefkasten der Arbeitnehmerin ein. Der Arbeitgeber konnte beweisen, wann er das Kündigungsschreiben erstellt, ausgedruckt, kuvertiert und als Einwurf-Einschreiben zur Post gegeben hat.
Die Arbeitnehmerin bestritt jedoch, dass der Einwurf des Kündigungsschreibens zu den üblichen Postzustellungszeiten erfolgt war. Sie vertrat deshalb den Standpunkt, dass mit einer Entnahme am selben Tag nicht zu rechnen gewesen sei. Folglich sei der Zugang der Kündigung erst am 1. Oktober 2021 erfolgt, mit der Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst am 31. März 2022. Vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht scheiterte die Mitarbeiterin mit einer entsprechenden Klage.
Diese Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun bestätigt (Urteil vom 20. Juni 2024, Aktenzeichen: 2 AZR 213/23). Die Bundesrichter folgten der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts. Demnach spricht bei der Übersendung eines Schriftstücks per Einwurf-Einschreiben sowie gleichzeitiger Vorlage des Einlieferungsbelegs und der Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten Auslieferungsbelegs ein Beweis des ersten Anscheins für den Zugang dieses Schriftstücks beim Empfänger. Die Arbeitnehmerin hätte diesen Anscheinsbeweis erschüttern müssen, indem sie atypische Umstände darlegt, die einen anderen Ablauf des Geschehens nahelegen. Das hat die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall nicht getan, womit die Kündigung als zugestellt gilt und das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31. Dezember 2021 beendet wurde.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des BAG verdeutlicht: Auch und gerade im Arbeitsrecht kommt es darauf an, den Zugang fristgebundener Willenserklärungen wie eines Kündigungsschreibens darlegen und nachweisen zu können. Wenn – wie hier durch den Arbeitgeber – ein Einwurf-Einschreiben als Versandweg gewählt wird, ist diese Darlegung durch das Urteil des BAG einfacher geworden. Denn ein Anscheinsbeweis kann für den Zugang zu den üblichen Zustellzeiten der Post am selben Tag sprechen.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Oktoberausgabe 2024 veröffentlicht worden.