Digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften: kein Anspruch auf E-Mail-Adressen

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Eine für einen großen Sportartikelhersteller tarifzuständige Gewerkschaft hatte auf Basis ihrer verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit nach Art. 9 Absatz 3 Grundgesetz von dem Unternehmen die Übermittelung sämtlicher betrieblicher E-Mail-Adressen und den Zugang zum konzernweiten Netzwerk bei Viva Engage zum Zweck der Mitgliederwerbung gefordert. Entsprechende Klagen vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht blieben erfolglos.
Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Gewerkschaften von Unternehmen keine entsprechenden Informationen und Zugangsmöglichkeiten verlangen können (Urteil vom 28. Januar 2025, Aktenzeichen: 1 AZR 33/24). Zwar gebe Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz einer Gewerkschaft grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings seien bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren in Konflikt stehenden Grundrechte des Arbeitgebers und die Grundrechte der Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen und in Ausgleich zu bringen. Auf Basis dieser Abwägung entschied das BAG, dass die Koalitionsbetätigungsfreiheit kein Recht auf die Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen durch den Arbeitgeber rechtfertigt.
Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit begründe ein überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme. Das gilt laut BAG auch für die Nutzung des konzernweiten Netzwerks bei Viva Engage. Die BAG-Richter verwiesen darauf, dass die Gewerkschaft das E-Mail-System des Unternehmens durchaus zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen nutzen dürfe, wenn sie beispielsweise die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb zu diesem Zweck nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse frage.
VAA-Praxistipp
Hinter dem Urteil des BAG steht die Frage, wie Gewerkschaften Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen können, die durch die Veränderungen der Arbeitswelt häufiger mobil arbeiten als früher und seltener an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb anzutreffen sind. Nach der BAG-Entscheidung müssen andere Regelungen gefunden werden, um die verfassungsrechtlich garantierte Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften und damit die Vertretung der Beschäftigteninteressen sicherzustellen. Eine Möglichkeit dafür ist der Abschluss entsprechender Vereinbarungen, wie sie der VAA Ende Januar mit Evonik getroffen hat.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Februarausgabe 2025 veröffentlicht worden.