Freistellung während der Kündigungsfrist: keine Pflicht zur sofortigen Jobsuche

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Dies gelte laut Bundesarbeitsgericht (BAG) auch dann, wenn sich der oder die betroffene Beschäftigte nicht direkt um ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis bemüht. Im konkreten Fall kündigte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu seinem Angestellten zum 30. Juni 2023 und stellte den Arbeitnehmer unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht der Arbeitsleistung frei. Anfang April meldete sich der Arbeitnehmer nach Eingang der Kündigung bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend. Die Arbeitsagentur schickte ihm erstmals Anfang Juli 2023 Vermittlungsvorschläge.
Der Arbeitgeber übersandte hingegen schon im Mai und Juni einige von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenanzeigen. Der Arbeitnehmer bewarb sich erst Ende Juni auf manche dieser Ausschreibungen. Der Arbeitgeber zahlte dem Arbeitnehmer für Juni 2023 keine Vergütung mehr, weil dieser nach seiner Ansicht verpflichtet gewesen wäre, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Die daraufhin vom Arbeitnehmer erhobene Klage wies das Arbeitsgericht ab, in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht war der Arbeitnehmer hingegen erfolgreich.
Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Sinne des Arbeitnehmers entschieden (Urteil vom 12. Februar 2025, Aktenzeichen: 5 AZR 127/24): Der Arbeitgeber befand sich aufgrund der von ihm einseitig erklärten Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Arbeitnehmer nach § 615 BGB die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil sei nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) untätig geblieben wäre. Dies war beim vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht der Fall.
Das Unternehmen hat laut BAG nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers unzumutbar gewesen wäre. Daher bestand für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
VAA-Praxistipp
Das BAG-Urteil verdeutlicht: Der Lohnanspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern während der Freistellungsphase nach einer Kündigung setzt in der Regel nicht voraus, dass sich die Beschäftigten innerhalb der Kündigungsfrist sofort um neue Verdienstmöglichkeiten kümmern.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Ausgabe März 2025 veröffentlicht worden.