Was tun bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten?
Hinzu kommen Heilungskosten, ergänzt Böhmer im Interview mit dem VAA Magazin. Auch leiden die Betroffenen unter Schmerzen und Problemen, die möglicherweise Entschädigungsansprüche auslösen. Bei Langzeitfolgen ist es zudem möglich, dass teurere Hilfseinrichtungen wie Rollstuhl, Umbauten oder Fahrzeuganpassungen benötigt werden.
VAA Magazin: Was genau ist ein Arbeitsunfall und was ist eine Berufskrankheit?
Böhmer: Zunächst einmal zur Gemeinsamkeit: Sowohl beim Arbeitsunfall als auch bei der Berufskrankheit handelt es sich um Schäden an der Gesundheit eines Arbeitnehmers, die durch eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Tätigkeit verursacht werden. Als Arbeitsunfall wird dabei ein zeitlich begrenztes, plötzliches Ereignis verstanden, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden führen kann. Es handelt sich dann um einen Arbeitsunfall, wenn das Unfallopfer zum Zeitpunkt des Unfalls eine berufliche Tätigkeit mit gesetzlicher Versicherungspflicht ausübt.
Demgegenüber wird als Berufskrankheit ein Krankheitsgeschehen bezeichnet, bei dem ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit als Ursache vorliegt.
Welche Ansprüche kann ein Arbeitnehmer geltend machen, der einen Arbeitsunfall erlitten hat?
Zunächst kommen hier Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung in Betracht. Träger dieser Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Voraussetzung ist, dass der Unfall berufsbedingt ist und dass dieses Unfallereignis einen Gesundheitsschaden zur Folge hat.
Werden diese Fragen bejaht, gewährt die gesetzliche Unfallversicherung eine Reihe von Leistungen. Dazu gehören Heilbehandlungskosten, einschließlich der medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zum Leben in der Gemeinschaft, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie eine Verletztenrente. Vergleichbare Leistungen erbringt die gesetzliche Unfallversicherung im Falle einer anerkannten Berufskrankheit.
Was ist mit Schadensersatz für Sachschäden und mit einer Entschädigung für erlittene Schmerzen?
Grundsätzlich werden Sachschäden von der Berufsgenossenschaft nicht erstattet. Eine Ausnahme besteht bei der Beschädigung von Hilfsmitteln wie Brillen, Hörgeräten, Gehstöcken et cetera. Ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung besteht in keinem Fall.
Können sich verletzte Beschäftigte, soweit ihnen Sachschäden entstanden sind oder sie Schmerzen erlitten haben, an den Arbeitgeber oder an Kollegen wenden, die den Schaden beispielsweise durch eine Sorgfaltspflichtverletzung bewirkt haben?
Bei Sachschäden besteht durchaus ein Anspruch gegen den Arbeitgeber, da die beschädigte Sache „aufgewendet“ würde, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Hier besteht ein Anspruch auf Aufwandserstattung. Auch ein Anspruch gegen einen Kollegen als Schadensverursacher kommt dem Grunde nach in Betracht. Hier aber kommen die Grundsätze des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs zur Anwendung. Je nach dem Grad des Verschuldens hat der Kollege einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Übernahme des Schadens. Ein Schmerzensgeldanspruch ist hingegen generell im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ausgeschlossen, wenn nicht eine vorsätzliche Schädigung erfolgt ist.
Was müssen Beschäftigte tun, wenn sie einen Arbeitsunfall hatten?
Im Falle eines Arbeitsunfalles sollten Beschäftigte unverzüglich – und im Idealfall schriftlich – gegenüber dem Arbeitgeber den Unfall mitteilen. Sodann sollte ein Unfallarzt – genannt Durchgangsarzt – aufgesucht und ihm das Unfallgeschehen geschildert werden. Die Meldung bei der zuständigen Berufsgenossenschaft erfolgt in diesem Fall „automatisch“ durch den Durchgangsarzt.
Im Falle einer Berufskrankheit empfiehlt es sich, mit dem behandelnden Arzt zu besprechen, ob die Krankheit ihre Ursache in Einflüssen haben kann, denen der Arbeitnehmer in seinem beruflichem Umfeld ausgesetzt war oder ist. Diesbezüglich ist auf die Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung zu verweisen. Dort sind insbesondere durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten als typische Berufskrankheiten aufgelistet und anerkannt.
Zurück zu den Arbeitsunfällen: Wann beginnt und wann endet der berufsgenossenschaftliche Schutz?
Bereits der Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz ist vom berufsgenossenschaftlichen Schutz abgedeckt. Soweit der direkte Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz gewählt wird, spricht man von einem Wegeunfall. Dies gilt jedoch nur, soweit der direkte und kürzeste Weg genommen wird. Weicht man hiervon ab, um unterwegs beispielsweise einen Einkauf zu tätigen, geht der Versicherungsschutz verloren. Gleiches gilt selbstverständlich für den Rückweg von der Arbeitsstätte.
Für Pausenzeiten gilt jedoch, dass lediglich der Weg zur Pause beziehungsweise zur Nahrungsaufnahme versichert ist. Die eigentliche Pausenzeit, ob sie zum Essen oder für private Erledigungen genutzt wird, hingegen üblicherweise nicht, es sei denn, sie werden an der Arbeitsstätte selbst verbracht.
Viele VAA-Mitglieder arbeiten inzwischen zu einem großen Teil im Homeoffice. Sind Unfälle, die eintreten, während man von zu Hause aus arbeitet, als Arbeitsunfälle versichert?
Solange der Arbeitnehmer im betrieblichen Interesse zu Hause tätig ist und hierbei einen Unfall erleidet, handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Dies gilt auch für Wege innerhalb der eigenen Wohnung, soweit sie „betrieblich bedingt“ sind. Mitversichert sind also auch Wege zum Drucker, zur Toilette oder in die Küche oder ins Esszimmer, um dort die Pause zu verbringen oder sich Nahrungsmittel an den Arbeitsplatz zu holen.
In welchen Fällen erhalten Arbeitnehmer vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eine Erwerbsminderungsrente?
Im Falle einer dauerhaften Minderung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit und damit der Arbeitsmöglichkeit während des Erwerbslebens gewähren die Berufsgenossenschaften eine sogenannte Verletztenrente beziehungsweise Erwerbsminderungsrente als Teil- oder Vollrente, soweit die Minderung der Erwerbsfähigkeit – kurz: MDE – mindestens 20 Prozent beträgt und mindestens für ein halbes Jahr besteht. Eine Vollrente wird in Höhe von zwei Dritteln des Jahresarbeitsverdienstes, eine Teilrente als am Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit orientierter Teilbetrag der Vollrente gewährt.
Was geschieht, wenn sich im Laufe der Zeit die Folgen eines erlittenen Arbeitsunfalls verschlimmern?
Soweit sich die Folgen eines Arbeitsunfalls verschlimmern und diese Verschlimmerung auch unmittelbar auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist, kann bei einer erheblichen Verschlimmerung eine Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit zugleich auch die Höhe der Teilrente gefordert werden. Dies setzt im Allgemeinen eine erhebliche Verschlimmerung um mindestens zehn Prozent voraus.
Endet das Arbeitsverhältnis, das durch den Arbeitsunfall zur Minderung der Erwerbsfähigkeit führte, automatisch mit Gewährung einer Erwerbsminderungsrente?
Nein. Allerdings sehen manche Arbeitsverträge ein „automatisches“ Ende des Arbeitsverhältnisses für den Fall vor, dass eine Vollrente unbefristet gewährt wird.
Im Übrigen kommt aber auch bei einer durch das Arbeitsverhältnis hervorgerufenen Erkrankung grundsätzlich der Ausspruch einer personenbedingten oder krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber in Betracht. Im Allgemeinen wird hier jedoch davon auszugehen sein, dass dem Arbeitgeber ein längerer Beobachtungszeitraum zuzumuten ist. In diesem ist dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin Gelegenheit zur Wiedergenesung einzuräumen.
Was sollten VAA-Mitglieder tun, wenn Sie selbst betroffen sind von der Thematik?
Sie sollten sich natürlich möglichst schnell an den Juristischen Service des VAA wenden und sich eingehend beraten lassen. Ein Griff zum Telefon oder eine E-Mail genügt, um sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Dezemberausgabe 2024 veröffentlicht worden.