Mitbestimmung: Wer spricht für die leitenden Angestellten?
Rechtsgrundlage ist das Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montanmitbestimmung, das am 1. Januar 1989 in Kraft getreten ist. Es setzte einem langen Kampf der Führungskräfteverbände unter dem Dach der ULA um die betriebliche Mitbestimmung der Führungskräfte ein gutes Ende.
„Leitende Angestellte brauchen eine starke Stimme im Unternehmen. Die Sprecherausschüsse wahren die Interessen der Führungskräfte.“
Dr. Birgit Schwab, Vorsitzende des Sprecherausschusses im Werk Burghausen der Wacker AG, 1. VAA-Vorsitzende und ULA-Vizepräsidentin.
Im Grundsatz vertritt der Sprecherausschuss die Belange der leitenden Angestellten des Betriebes beziehungsweise des Unternehmens, unbeschadet der Wahrnehmung eigener Belange durch die Leitenden. Wer von den außertariflichen Mitarbeitern eines Unternehmens zu den leitenden Angestellten gehört, war und ist auch heute zuweilen umstritten. Anhaltspunkte für eine Abgrenzung bietet § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes in Form typisierender Beschreibungen. Danach ist leitend, wer von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber wollte durch diese Grundentscheidung dem Umstand Rechnung tragen, dass leitende Angestellte aufgrund ihrer Nähe zur Unternehmensleitung und ihrer häufigen Arbeitgeberfunktionen mit der übrigen Belegschaft Interessenkonflikte haben könnten. Dies sollte den Betriebsfrieden nicht gefährden. Über die Zuordnung entscheidet im Konfliktfall ein Vermittler oder letztendlich ein Gericht.
„Zu unserem Leitbild in den Sprecherausschüssen gehört der faire und respektvolle Umgang mit den Leitenden Angestellten, den wir ganz besonders in Zeiten ständiger Veränderungen für unverzichtbar halten.“
Roland Angst, Vorsitzender des Konzernsprecherausschusses der Deutschen Telekom AG und ULA-Präsident.
Der Sprecherausschuss hat im Gegensatz zum Betriebsrat keine echten Mitbestimmungsrechte, sondern nur sogenannte Mitwirkungsrechte für die Rahmenbedingungen und die Gesamtheit der leitenden Angestellten des Unternehmens. Er hat zudem eingehende Unterrichtungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes. Zur Unterstützung einzelner leitender Angestellter verfügt der Sprecherausschuss außerdem über Beteiligungs- und Anhörungsrechte, durch die er auch auf den individuellen Wunsch von Betroffenen hin unterstützen kann. Dies spielt im betrieblichen Alltag heute eine zunehmende Rolle, da die Kündigung von leitenden Angestellten häufiger vorkommt, als allgemein bekannt ist.
„Die Sprecherausschüsse stehen leitenden Angestellten auch in schweren Situationen und beruflichen Umbrüchen als Partner und Coach zur Seite.“
Susanne Schebel, Stellvertretende Vorsitzende des Sprecherausschusses der Zentrale der Mercedes-Benz Group AG und ULA-Vizepräsidentin.
Aktuell wichtige Themen in der Sprecherausschussarbeit sind Änderungen der Gehaltsgestaltung der leitenden Angestellten einschließlich der betrieblichen Altersversorgung, Fragen zu Betriebsvereinbarungen oder Kündigungen von Führungskräften. In Zeiten von Corona rücken zunehmend auch das mobile Arbeiten und die Ausgestaltung der damit verbundenen Regelungen in den Fokus.
Insgesamt hat sich das von der ULA initiierte und politisch durchgesetzte Sprecherausschussgesetz in den Augen vieler leitender Angestellter in rund 30 Jahren bewährt. Auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat verläuft in den meisten Fällen reibungslos. Der Sprecherausschuss kann Mitgliedern des Betriebsrats das Recht einräumen, an Sitzungen des Sprecherausschusses teilzunehmen – dies gilt auch umgekehrt für Sitzungen des Betriebsrates. Einmal im Kalenderjahr soll ferner eine gemeinsame Sitzung stattfinden.
„Sprecherausschüsse gestalten Veränderungen in ihren Unternehmen aktiv mit und treten dabei für die Interessen der leitenden Angestellten ein, wenn es um faire Arbeitsbedingungen, leistungsgerechte Vergütung und attraktive Entwicklungsperspektiven geht.“
Dr. Thomas Sauer, Vorsitzender des Gesamtsprecherausschusses des Evonik-Konzerns und VAA-Vorstandsmitglied.
Die ULA fungiert als der politische Arm der Sprecherausschüsse und vertritt deren Interessen in Berlin und Brüssel. Als Stimme für Leistung und Verantwortung trägt sie dafür Sorge, dass die Mitbestimmung der Führungskräfte angemessen berücksichtigt wird. So konnte die ULA zu Jahresbeginn im engen Austausch mit dem zuständigen Fachreferat im Bundesarbeitsministerium die kurzfristige Verabschiedung einer Überarbeitung der Wahlordnung Sprecherausschussgesetz (WO SprAuG) anstoßen und inhaltlich begleiten. Ziel war es, eine rechtssichere und unanfechtbare Durchführung der aktuellen Sprecherausschusswahlen sicherzustellen. Die pandemiebedingten, hierfür notwendigen Regelungen zu erlassen, war zuvor vom Gesetzgeber versäumt worden. Ebenso wirbt die ULA intensiv um parlamentarische Mehrheiten, damit die Sprecherausschüsse zur nächsten Wahl 2026 tatsächlich - wie im Koalitionsvertrag als Pilotprojekt vorgesehen - auch online gewählt werden können. Zur aktuellen Wahl 2022 waren nur die Brief- und Urnenwahl möglich.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Aprilausgabe 2022 veröffentlicht worden.