Teilzeitbeschäftigte dürfen bei Überstundenzuschlägen nicht benachteiligt werden
Ein als Pilot in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer hatte dagegen geklagt, dass sein Arbeitgeber gemäß einschlägigem Tarifvertrag den Beschäftigten bei Überschreitung einer bestimmten Zahl von im Monat geleisteten Flugdienststunden eine „Mehrflugdienststundenvergütung“ gewährte und die dafür maßgebliche Stundengrenze einheitlich für Arbeitnehmer in Vollzeit und Teilzeit galt. Nach seiner Auffassung waren die tariflichen Bestimmungen unwirksam, weil sie Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund schlechter behandelten als Beschäftigte in Vollzeit. Die Stundengrenzen für die Zusatzzahlung hätten für Teilzeitbeschäftigte proportional abgesenkt werden müssen. Der Arbeitnehmer verlangte deshalb die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Flugdienststunden, die er im Verhältnis zu seiner individuellen Arbeitszeit mehr geleistet hatte. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Das BAG legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob eine nationale Regelung, nach der ein Teilzeitbeschäftigter die gleiche Zahl Arbeitsstunden wie ein Vollzeitbeschäftigter leisten muss, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten, eine nach dem Unionsrecht verbotene Diskriminierung darstellt.
Der EuGH entschied, dass die einheitliche Stundengrenze tatsächlich eine unzulässige Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten darstellt (Urteil vom 19. Oktober 2023, Aktenzeichen C-660/20). Die Regelung benachteilige Teilzeitkräfte, weil diese in Relation zu ihrer vertraglichen Sollarbeitszeit mehr Flugdienststunden leisten müssten, um die Mehrflugdienststundenvergütung als Lohnerhöhung pro Stunde zu bekommen.
Ein ausreichender sachlicher Grund war aus Sicht des EuGH für diese Ungleichbehandlung nicht gegeben. Dafür kämen Faktoren wie etwa gesundheitliche Belastungen in Betracht, die jedoch anhand klarer und objektiver Kriterien durch den Arbeitgeber hätten dargelegt und bewiesen werden müssen. Der teilzeitbeschäftigte Pilot hat laut EuGH somit bereits dann Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag, wenn seine tatsächliche Arbeitszeit seine individuelle Soll-Arbeitszeit in entsprechendem Umfang überschreitet.
VAA-Praxistipp
Das Urteil des EuGHs verdeutlicht einmal mehr, dass Arbeitgeber bei der Behandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen sehr genau darauf achten müssen, keine Gruppe ohne sachlichen Grund durch Regelungen zu benachteiligen. So kann etwa der Gesundheitsschutz ein sachlicher Grund sein, um Vollzeitbeschäftigte anders zu behandeln als Teilzeitbeschäftigte, weil hier andere Erwägungen im Hinblick auf eine übermäßige Arbeitsbelastung eine Rolle spielen können. Der EuGH hat in seinem Urteil jedoch die Verpflichtung des Arbeitgebers betont, die Eignung und Erforderlichkeit entsprechender Regelungen für das Ziel des Gesundheitsschutzes darzulegen, was im vorliegenden Fall offenkundig nicht gelungen ist.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Dezemberausgabe 2023 veröffentlicht worden.