VAA-Juristin rät: Augen auf beim ersten Arbeitsvertrag
Handelt es sich beim Arbeitgeber um ein etabliertes Unternehmen, vertrauen die meisten Neubeschäftigten auf die Rechtmäßigkeit der darin enthaltenen Klauseln. Was dabei zu beachten ist und welche Stolperfallen enthalten sein können, erklärt Ida Tolksdorf vom Juristischen Service des VAA im Interview mit dem VAA Magazin. Dies gilt sowohl für den ersten als auch jeden weiteren Arbeitsvertrag im Karriereverlauf.
VAA Magazin: Wie ist ein Arbeitsvertrag in der Regel aufgebaut?
Tolksdorf: Am Anfang des Vertragstextes findet sich in der Regel nach einem Einleitungssatz eine Art Tätigkeitsbeschreibung. Hier wird die Tätigkeit bezeichnet und bei einigen Unternehmen wird hier auch eine Eingruppierung der Stelle vorgenommen. Häufig wird bezüglich der genauen ausgeübten Tätigkeiten auch auf eine beiliegende Tätigkeitsbeschreibung verwiesen.
Warum ist es wichtig, eine Beschreibung der Tätigkeiten vorliegen zu haben?
Die Tätigkeitsbeschreibung kann wichtig sein, etwa für die Erstellung eines Zeugnisses oder Zwischenzeugnisses. Die Tätigkeiten können sich ansonsten auch aus der der Bewerbung zugrunde liegenden Stellenanzeige ergeben.
In fast jedem Arbeitsvertrag findet sich ein Versetzungsvorbehalt. Was ist darunter zu verstehen?
Bei Versetzungsvorbehalten wird unterschieden zwischen sachlichen und örtlichen Versetzungsvorbehalten. Bei einem sachlichen Versetzungsvorbehalt behält sich der Arbeitgeber vor, dem oder der Beschäftigten andere, aber gleichwertige Tätigkeiten zu übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Grundsatz „gleiche Hierarchie, gleiche Bezahlung“ – gegebenenfalls gleicher Jobgrade – eingehalten werden.
Was ist dann ein örtlicher Versetzungsvorbehalt?
Bei Vereinbarung eines örtlichen Versetzungsvorbehalts kann der Arbeitgeber je nach Wortlaut den Beschäftigten an einen anderen Ort zu versetzen. Hierbei müssen allerdings die persönlichen Interessen der oder des Beschäftigten berücksichtigt werden.
Was ist zum Thema Gehalt wissenswert?
Gerade im außertariflichen Bereich werden die Bezüge häufig frei verhandelt. Hier können kollektive Regelungen zum Tragen kommen, etwa der Tarifvertrag des VAA über Mindestjahresbezüge für akademisch gebildete Beschäftigte in der Chemie oder Betriebsvereinbarungen mit Gehaltssystematik.
Wie finde ich heraus, ob der Akademikermanteltarifvertrag beziehungsweise der Tarifvertrag über die Mindestjahresbezüge für mich gilt?
Hierfür müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Zunächst muss der Arbeitgeber im entsprechenden Arbeitgeberverband der chemischen Industrie Mitglied sein. Besteht hierüber Unklarheit, kann dies etwa beim Betriebsrat erfragt werden. Zudem muss man dem sogenannten persönlichen Geltungsbereich unterfallen. Dies ist der Fall bei bestehender VAA-Mitgliedschaft, einer abgeschlossenen naturwissenschaftlichen oder technischen Hochschulbildung sowie der Ausübung einer Tätigkeit, für die diese Voraussetzung ist.
Was hat es zur Folge, wenn der Tarifvertrag über Mindestbezüge Anwendung findet?
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, müssen im zweiten Beschäftigungsjahr die für das entsprechende Jahr geltenden Mindestbezüge gezahlt werden.
Was kann ich tun, wenn sich im zweiten Beschäftigungsjahr die Bezüge hinter den Mindestbezügen zurückbleiben?
Wenden Sie sich in einem solchen Fall zunächst an unseren Juristischen Service, dann prüfen wir, welches Vorgehen in Ihrer konkreten Konstellation sinnvoll ist.
Zurück zu den Bestandteilen des Arbeitsvertrages. Welche Arten von Sonderzahlungen können neben dem Gehalt noch geregelt werden?
Hier kommen etwa Zahlungen wie Weihnachtsgeld, ein 13. Monatsgehalt oder ein Bonus in Betracht. Wird ein Bonus geregelt, so sollten die genauen Voraussetzungen, wie Bonuspotenzial sowie Art der Ziele, die erreicht werden müssen, entweder im Vertrag oder gesondert geregelt werden.
Was ist bei einer Betrieblichen Altersversorgung zu beachten?
Hierzu sollte man wissen, dass die aus einer Betrieblichen Altersversorgung entstandenen Ansprüche nach drei Jahren unverfallbar werden. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn die Stelle vor Erreichen dieser Frist gewechselt wird.
Welche Urlaubsansprüche habe ich aus dem Arbeitsverhältnis?
Zunächst besteht aus dem Bundesurlaubsgesetz bei einer Fünf-Tage-Woche ein Anspruch auf 20 Urlaubstage. Zusätzlich werden in der Regel zehn weitere Urlaubstage gewährt. Mittlerweile wird zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub differenziert. Findet der Akademiker-MTV wie eben erläutert Anwendung, so besteht ein Anspruch auf insgesamt 30 Urlaubstage.
Enthält der Akademiker-MTV auch Regelungen zu Kündigungsfristen?
Ja. Bis zu einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren gilt eine beiderseitige Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende. Diese verlängert sich bei fünf Jahren auf sechs Monate zum Quartalsende, bei zehn Jahren auf neun Monate zum Quartalsende und bei 15 Jahren auf 12 Monate zum Quartalsende. Findet der Akademiker-MTV keine Anwendung, so ergibt sich die Kündigungsfrist aus dem Arbeitsvertrag. Zumindest gelten jedoch die gesetzlichen Fristen des § 622 BGB. Diese beträgt zunächst vier Wochen zum 15. oder Monatsende und verlängert sich dann für den Arbeitgeber entsprechend der genannten Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Finden sich in Arbeitsverträgen auch Regelungen zum Thema Homeoffice?
Klauseln, die Homeofficeregelungen beinhalten, befinden sich eher selten direkt in Arbeitsverträgen. Häufig finden sich solche etwa in Betriebsvereinbarungen. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Tätigkeit hauptsächlich aus dem Homeoffice erbracht werden soll, dann sollten entweder im Vertrag selbst oder in einem beiliegenden Dokument Regelungen enthalten sein. Häufig beinhalten diese dann auch einen Widerrufsvorbehalt.
Was sind weitere Punkte, die in Arbeitsverträgen auftauchen könnten?
Weitere Regelungen könnten etwa getroffen werden zu Umzugskostenübernahme, Dienstwagen beziehungsweise Car Allowance, Versicherungen oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall. Auch können Klauseln zu möglichen Nebentätigkeiten oder zu Geheimhaltung und Wettbewerbsverbote vorkommen.
Was ist am Ende eines Vertragstextes noch zu beachten?
In den meisten Arbeitsverträgen finden sich mittlerweile sogenannte Ausschlussklauseln. Diese regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von einer gewissen Frist, meist mindestens von drei Monaten, in Textform geltend gemacht werden müssen, ansonsten verfallen diese. Bei den sogenannten zweistufigen Klauseln muss der Anspruch dann auch innerhalb von einer Frist gerichtlich geltend gemacht werden.
Was bedeutet das dann für mich?
Sie sollten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einfach nur innerhalb der genannten Fristen geltend machen, dann sollten hieraus keine Nachteile entstehen.
Wie können VAA-Mitglieder ihren neuen Arbeitsvertrag vor der Unterzeichnung juristisch prüfen lassen?
VAA-Mitglieder können Ihren Arbeitsvertrag ganz unkompliziert per E-Mail an den Juristischen Service übersenden: Jemand aus dem Team unserer Juristinnen und Juristen berät Sie dann gern umfassend.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Februarausgabe 2025 veröffentlicht worden.