Coronavirus: Was gilt arbeitsrechtlich?
Wenn Arbeitnehmer an COVID-19 erkranken, gelten die Regeln des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Das heißt: Jemand, der erkrankt ist, muss wie bei jeder anderen Erkrankung auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.
Dürfen Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung zuhause bleiben? „Die Angst, sich anzustecken, ist verständlich“, erklärt VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch. „Trotzdem ist es arbeitsrechtlich so, dass der Arbeitnehmer das allgemeine Lebensrisiko trägt, beispielsweise auf der Fahrt zum Arbeitsplatz, zu einem Termin oder durch Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen, einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein.“ Aus bloßer Angst vor einer Ansteckung dürfen Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung nicht verweigern, so der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Der Arbeitnehmer bleibt so lange zur Arbeitsleistung verpflichtet, bis die deutschen Gesundheitsbehörden offiziell etwas anderes anordnen.“
Für den Fall, dass Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten dürfen, gilt Kronisch zufolge: „Gerade jetzt dürfen sie ihre Arbeitsleistung nach Absprache vom Homeoffice aus erbringen.“ Arbeitgeber sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht dafür Sorge zu tragen, mögliche Ansteckungen der übrigen Belegschaft zu verhindern, beispielsweise durch Hygienemaßnahmen.
Werden behördenseitig Quarantänemaßnahmen angeordnet, was nach dem Infektionsschutzgesetz möglich ist, müssen Arbeitgeber ebenso wie bei einer Erkrankung für die Dauer von sechs Wochen das Gehalt zahlen. Gerhard Kronisch ergänzt: „Wobei der Arbeitgeber die ausgezahlten Beträge von der zuständigen Behörde auf Antrag erstattet bekommt.“ Ab der siebten Woche müssen die Arbeitnehmer selbst eine sogenannte Verdienstausfallentschädigung beantragen, die auf die Höhe des Krankengeldes beschränkt ist.
Sofern Kinder von Arbeitnehmern erkrankt sind, gelten die allgemeinen Regelungen. Anders sieht es aus, wenn aufgrund einer Schließung der Kita, der Schule oder des Kinderhorts die Betreuung des Kindes nicht gesichert ist, ohne dass ein Kind tatsächlich krank ist. „In Bezug auf Kinderbetreuung gibt es im Arbeitsrecht auch im Falle einer Epidemie keine Sonderregelung“, gibt VAA-Rechtsexperte Gerhard Kronisch zu bedenken. „Gibt es für den Arbeitnehmer keine andere Möglichkeit, die Betreuung seines Kindes zu gewährleisten, kommt in den Grenzen des § 616 BGB zur Entlohnung bei vorübergehender Verhinderung eine Entgeltfortzahlung in Betracht.“ Allerdings sei diese Vorschrift in vielen Arbeitsverträgen ausgeschlossen.
Die Frage, ob Mitarbeiter trotz des Coronavirus auf Dienstreise geschickt werden können, lässt sich nicht abschließend beantworten. Kronisch dazu: „Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Beinhaltet dies auch Auslandsreisen, besteht kein Recht auf Verweigerung.“ Etwas anderes gelte nur dann, wenn das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen hat oder es entsprechende Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt. „Arbeitgeber sollten jedoch beachten, dass man hinsichtlich Auslandsreisen in bestimmte Gebiete mit den Mitarbeitern nach Möglichkeit eine einvernehmliche Regelung treffen sollte.“
Für Tagungen, Seminare und Schulungen, wie sie beispielsweise auch vom VAA angeboten werden, haben einzelne Arbeitgeber derzeit ein Teilnahmeverbot verhängt. Hier ist die weitere Entwicklung abzuwarten, insbesondere ob es behördenseitige Anordnungen gibt.
Allgemeine Informationen zur Kurzarbeit für außertarifliche und leitende Angestellte enthalten die unten zum Download verfügbaren VAA-Informationen.
Was gilt für Betriebsräte und Sprecherausschüsse?
„Noch ein Wort zur Betriebsrats- und Sprecherausschussarbeit“, ergänzt Gerhard Kronisch. „Als VAA sprechen wir uns schon seit Langem dafür aus, sowohl im Betriebsverfassungsgesetz als auch im Sprecherausschussgesetz die Möglichkeit von Onlinesitzungen und vor allem auch von Onlinebeschlussfassungen vorzusehen – und in einem weiteren Schritt auch Onlinewahlen zu ermöglichen.“ Leider sieht das geltende Gesetz all dies nicht vor. Es fordert die Anwesenheit der Betriebsrats- beziehungsweise Sprecherausschussmitglieder, und zwar die Anwesenheit an einem Ort. „Beschlüsse können weder fernmündlich noch im Umlaufverfahren gefasst werden. Lediglich Vorbesprechungen oder Beratungen sind im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz möglich.“
Hier bedarf es aus Sicht des VAA dringend einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und des Sprecherausschussgesetzes. Wenn entgegen der geltenden Rechtslage Beschlüsse gleichwohl im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen gefasst werden, bewegen sich die Gremien hierbei in einem Graubereich, den es zu vermeiden gilt. Kronisch erklärt: „Wenn zum Beispiel der Betriebsrat im Rahmen einer Anhörung zu einer Versetzung den ablehnenden Beschluss per Telefon- oder Videokonferenz fasst, führt dies zur Unwirksamkeit des Widerspruches und damit gilt die Zustimmung Gremiums als erteilt.“ Der Arbeitgeber könnte so die personelle Maßnahme trotz des Widerspruches berechtigterweise durchführen. So weit die Rechtslage in normalen Zeiten.
BMAS erkennt Ausnahmesituation an
Allerdings handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine absolute Ausnahmesituation. Dies hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 20. März 2020 in einer Ministererklärung ausdrücklich bestätigt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil appelliert darin an die Arbeitgeber und Betriebsräte, möglichst schnelle und pragmatische Lösungen zu finden. In der aktuellen Lage, „wenn beispielsweise die Teilnahme an einer Präsenzsitzung zu Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder führt oder wegen behördlicher Anordnungen nicht möglich ist“, sei auch die Teilnahme an einer Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz einschließlich WebEx oder Skype zulässig. Heil weiter: „Dies gilt sowohl für die Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder als auch eine virtuelle Betriebsratssitzung. Die Beschlüsse, die in einer solchen Sitzung gefasst werden, sind nach unserer Auffassung wirksam.“
Weil es eine handschriftlich unterzeichnete Anwesenheitsliste in solch einem Fall nicht geben kann, sollte auf Empfehlung des BMAS die Teilnahme gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden in Textform bestätigt werden, also zum Beispiel per E-Mail. Zu beachten ist jedoch: Auch bei einer Video- oder Telefonkonferenz muss der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt bleiben. Laut dem Ministerbrief müsse sichergestellt werden, dass unberechtigte Dritte nicht an der Sitzung teilnehmen. „Nach unserer Auffassung gilt alles, was in der Ministererklärung steht, auch für Sprecherausschüsse“, ergänzt Kronisch.
In einer Kabinettsvorlage vom 7. April 2020 erläutert Bundesarbeitsminister Heil des Weiteren einen Änderungsantrag zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung, mit dem das Betriebsverfassungsgesetz und andere Gesetze im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie geändert werden sollen. Der Antrag solle dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit der Betriebsräte, Sprecherausschüsse und weiterer Gremien zu sichern. Mit Befristung bis einschließlich zum 31. Dezember 2020 erhalten die Gremien so die Möglichkeit, ihre Sitzungen einschließlich der Beschlussfassung mithilfe von Video- und Telefonkonferenzen durchzuführen. Dies gilt auch für Versammlungen und Betriebsversammlungen.
Die Regelungen sollen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten. Dies sei notwendig, so Heil, weil davon auszugehen ist, dass Betriebsräte mit Blick auf die Pandemiesituation bereits Beschlüsse per Video- oder Telefonkonferenz gefasst haben. Diese Beschlüsse sollen rechtssicher wirksam bleiben.
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