Konferenz in Mainz
Sprecherausschussarbeit erfolgreich gestalten
Durch die Sprecherausschüsse werden die Interessen der leitenden Angestellten in der Industrie vertreten. Doch in Zeiten der Krise gestaltet sich die tägliche Sprecherausschussarbeit mitunter schwierig, gerade in der Chemie- und Pharmabranche. Was tun bei Performancekonflikten und Umstrukturierungen? Wie bleibt man hoch produktiv und kommuniziert dabei wirkungsvoll? Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der Personalarbeit? Mit diesen Fragen haben sich rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sprecherausschusskonferenz des VAA in Mainz Ende September 2023 beschäftigt.
„Auf der Sprecherausschusskonferenz standen Themen auf der Tagesordnung, die für alle Sprecherausschussmitglieder in ihrer praktischen Arbeit relevant sind.“
Stephan Gilow, Hauptgeschäftsführer des VAA und VAA-Jurist.
Dr. Rolf Peter Schulz, Vorsitzender der VAA-Kommission Sprecherausschüsse:
„Unsere Industrie kämpft um faire Wettbewerbsbedingungen, um international zu bestehen. Wir kämpfen für eine aktive Industriepolitik für Standort und Beschäftigung, die vor allem drei Punkte umsetzen muss: einen Industriestrompreis, ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft und mehr Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Eine Zukunft in Deutschland hat unsere Chemie intern in den Unternehmen und extern in der Öffentlichkeit aber nur, wenn ihre gesellschaftliche Akzeptanz tief verankert ist.“
Beschluss der VAA-Delegiertentagung
MINT-Fächer in der Schule stärker fördern
Auf der Delegiertentagung des VAA Anfang Juni 2023 in Montabaur haben die VAA-Mitglieder aus den Werks- und Landesgruppen beschlossen, sich für eine Förderung von MINT-Fächern in der Schule einzusetzen. Die Delegierten sind damit einem Antrag der VAA-Landesgruppe Mitte/Ost gefolgt, der die Aktivierung von VAA-Mitgliedern für ein ehrenamtliches Engagement an Schulen vorgeschlagen hatte. Wie dies gelingen kann, zeigen zwei Beispiele aus der Praxis.
Seit Januar 2023 arbeitet Dr. Barbara Heide von der VAA-Werksgruppe Henkel Düsseldorf in einem Krefelder Gymnasium als Lehrerin für Vorbereitungsklassen. „An diesem Gymnasium sind auch meine Söhne schon zur Schule gegangen“, erzählt die promovierte Chemikerin, die ihr gesamtes Berufsleben bei Henkel verbracht hat. Im Bereich Forschung und Entwicklung war sie europaweit verantwortlich für die Entwicklung der Körperpflegemittel. Seit Ende 2022 ist Heide im Ruhestand, um direkt im Anschluss daran ein Onlinestudium der Ernährungswissenschaften an der International University zu beginnen. „Nach Beendigung des Studiums will ich noch einmal aktiv im Bereich der Ernährungsberatung tätig werden.“ Parallel dazu wird sie jedoch weiter unterrichten.
„An dieser Schule haben wir schon früher über Henkel verschiedene Projekte gesponsert“, berichtet Heide. „Die Idee, dass ich in den Vorbereitungsklassen unterrichten könnte, ist entstanden, weil an der Schule – wie überall übrigens – ein extremer Lehrermangel herrscht.“ Zweimal wöchentlich unterrichtet sie Deutsch. „Ich arbeite aber auch mit Unterrichtsmaterial für MINT-Fächer und versuche, Chemie, Physik und Biologie mit einfachen Worten zu erklären, damit es die Schülerinnen und Schüler in den Vorbereitungsklassen verstehen.“
In diesen Klassen sind Schülerinnen und Schüler nach Altersstufen eingeordnet. „Ich habe Schüler aus verschiedenen Ländern, zurzeit schwerpunktmäßig aus der Ukraine, aber auch aus Syrien und Afghanistan. Alle haben ein unterschiedliches Niveau der Allgemeinbildung und der Sprachbildung.“ Auch spezifische kulturelle Hintergründe und Probleme müssen berücksichtigt werden. Deswegen gibt es keinen klassischen Frontalunterricht, sondern es wird in kleinen Gruppen unterrichtet, die individuell und abwechselnd beschäftigt werden. Für Barbara Heide ist es eine große Herausforderung, die aber Spaß mache und erfüllend sei. „Das ist auch immer learning by doing: Empathie und Menschenkenntnis sind gefragt. Dafür ein Gefühl zu bekommen, ist nicht immer einfach.“
Von der Führungs- zur Lehrkraft
In den MINT-Fächern fehlt es überall in Deutschland an Lehrpersonal, auch in Krefeld. „Unser Schulleiter ist sehr dankbar für Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die als Lehrer tätig sein wollen“, sagt die ehemalige Henkel-Führungskraft und neue Gymnasiallehrerin. Heide hat sogar einen Vertrag angeboten bekommen, aber sie bevorzugt weiterhin das ehrenamtliche Engagement. „Ich bin auch schon außerhalb der Vorbereitungsklassen gefragt worden, ob ich nicht Chemie unterrichten möchte.“
Aber wie gelingt eigentlich der Einstieg an Schulen? „Die Schulen suchen händeringend Menschen, die unterrichten können und wollen“, erklärt Barbara Heide. „Es werden aber auch Menschen gesucht, die Betreuung für Hausaufgaben leisten oder mit Grundschülern lesen, die sich einfach um die Kinder kümmern.“ Ihr Tipp lautet: Einfach die Schulen in der eigenen Stadt kontaktieren. „Die sind wirklich dankbar für jede Hilfe!“ Man werde an den Schulen mit offenen Armen empfangen. „Als ich das erste Mal ins Lehrerzimmer kam und vorgestellt wurde, haben alle anwesenden Lehrerinnen und Lehrer applaudiert! Es ist wirklich eine großartige Wertschätzung. Ich kann es nur jedem empfehlen, so etwas zu machen.“
Mittlerweile hat Barbara Heide genauso wenig Zeit wie früher. „Meine beiden Söhne leben selbst noch zu Hause und studieren. Sie sind total interessiert, wenn sie nun auch die Arbeit und Herausforderungen einer Lehrerin kennenlernen, die sie als Schüler nicht erfahren haben.“ Man lerne so neue Sichtweisen kennen. Ein weiterer Vorteil: Sie motiviert ihre Söhne zusätzlich. „Die finden das cool, was ich mache.“
Mit Arbeiterkind an die Schulen
Eine andere Möglichkeit für VAA-Mitglieder, sich in Schulen zu engagieren, ohne selbst zu lehren, ist der Weg über bestehende Stiftungen und Initiativen. Eine davon ist Arbeiterkind.de. Hier ist auch der Vorsitzende der VAA-Werksgruppe Tesa Arne Klink aktiv. „Arbeiterkind.de unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, die richtige Entscheidung für ein Studium oder eine Ausbildung zu treffen. Wir geben auch gezielt Kindern aus sozial benachteiligten Haushalten eine Hilfestellung, um sie für Bildung zu begeistern und Wissenschaft näherzubringen.“ Der studierte Bioverfahrensingenieur ist als Produktentwickler im Rohstofflabor der Tesa SE (Markenname tesa) in Norderstedt tätig und hat auch ein Betriebsratsmandat inne.
Man merkt Klink an, wie wichtig ihm die Initiative ist. „Wir haben Mitglieder in jeder Lebenslage, vom engagierten Schüler über den Naturwissenschaftler und Manager bis zur Rentnerin.“ Arbeiterkind.de verfügt über einen großen Schatz an Mitgliedern, die Wissen haben und es gern weitergeben. „Das ist auch unser Charme: Wir haben Mitglieder mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, die ihre individuellen Profile in die Organisation einbringen, und zwar so, wie sie es können.“
Da passt es gut, dass der VAA ein breites Spektrum an Naturwissenschaftlern hat, die im Rahmen von Arbeiterkind-Veranstaltungen auch an die Schulen gehen könnten. „Die Schulveranstaltungen werden von Lehrerinnen und Lehrern gebucht und finden überall in Deutschland statt“, erläutert Arne Klink. Bei Arbeiterkind.de sind VAA-Mitglieder mit jeder Art von Lebens- und Berufserfahrung willkommen – von Berufseinsteigern bis zu Pensionären. Klink nennt ein Beispiel: „Ich bin beispielsweise auch schon mehrmals mit einer Rentnerin an die Schule gegangen. Sie hat IT studiert und aus ihrer Karriere erzählt.“
Das Engagement ist frei und flexibel – jeder kann seine lokale Gruppe ansprechen und bei Schulveranstaltungen mitmachen. „Es ist einfach und unkompliziert“, so Klink. „Es gibt bei uns über 80 lokale Gruppen und Stammtische, die man über die Website ganz leicht findet.“ Da die Initiative öffentlich finanziert ist, gibt es für interessierte VAA-Mitglieder keinerlei finanzielle Verpflichtungen. „Wir freuen uns natürlich über Spenden, aber wir sind dankbar für die Zeit, die uns unsere Expertinnen und Experten mit ihrem Engagement schenken.“ Dabei sei die Zeiteinteilung absolut frei.
Im VAA gibt es viele engagierte Mitglieder. Barbara Heide und Arne Klink gehören dazu. Sie zeigen auf, dass der Weg vom Wunsch, sich ehrenamtlich an Schulen zu engagieren, bis zur Umsetzung meist kurz und unkompliziert ist – und sich am Ende immer lohnt.
Diskussion um Industriestrompreis
VAA fordert FDP zum Umdenken auf
Zurzeit befinden sich die energieintensiven Industrien in Deutschland in einer existenziellen Krise. Der VAA hat sich erneut in die Diskussion rund um die Einführung eines Industriestrompreises eingeschaltet und fordert die FDP mit Nachdruck dazu auf, ihre bisherige Blockadehaltung in der Ampelkoalition zu überdenken.
Aus Sicht der Fach- und Führungskräfte in der Chemie- und Pharmaindustrie ist ein Brückenstrompreis für die energieintensiven Branchen zwingend notwendig, um die Zukunft des Industriestandorts mittel- und langfristig zu sichern. „Es ist ganz einfach: In Deutschland ist Strom so teuer wie nie zuvor“, erklärt VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow. „Und diese hohen Strompreise stellen gerade Chemieunternehmen vor enorme Herausforderungen: Zum einen verschärfen die Preise den internationalen Standortwettbewerb und zum anderen verhindern sie Investitionen in treibhausgasneutrale Technologien.“ Dies führe zu einer Abwanderung stromintensiver Unternehmen aus Deutschland und damit zum Verlust einer großen Anzahl hoch qualifizierter Industriearbeitsplätze.
In ihrem Brief mit dem Titel „Führung und Verantwortung sind gefordert – ein wirksamer Brückenstrompreis jetzt“ an die FDP-Führung betonen die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab, der 2. VAA-Vorsitzende Dr. Christoph Gürtler und VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow, dass die Liberalen ein wichtiger Partner seien. „Wir unterstützen grundsätzlich Ihre Überlegungen, das Angebot bei der Stromerzeugung auszuweiten, die Stromsteuer zu senken und die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.“ Angesichts des hoch regulierten Energiemarktes brauche es jedoch in der aktuellen Situation ein zeitlich begrenztes aktives Eingreifen des Staates in den Markt.
In der jetzigen existenziellen Krise habe die Ablehnung von kurzfristig wirksamen Hilfen bei unseren Mitgliedern scharfe, in dieser Form ungekannte Kritik hervorgerufen, betonen die VAA-Spitzen im Schreiben ans Präsidium und den Bundesvorstand der FDP. „Die Stimmung ist mehr als schlecht.“ Deshalb fordert Deutschlands größter Führungskräfteverband gemeinsam mit den Verbänden und Gewerkschaften der energieintensiven Industrien von der FDP eine Entscheidung für einen wirksamen Brückenstrompreis: „Wir bitten Sie, Ihre ablehnende Haltung aus Verantwortung gegenüber den Unternehmen und den Beschäftigten aufzugeben.“
Man begrüße zugleich die Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums, der Partei Bündnis 90/Die Grünen, der SPD-Bundestagsfraktion sowie der Bundesländer Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt für den Brückenstrompreis. „Diese Lösung erhält den Industriestandort, sichert Beschäftigung und ist notwendiger denn je“, so Stephan Gilow.
Im Schreiben heißt es weiter: „Unternehmen der Grundstoffindustrie wie die Chemie sind als Lieferanten zentraler Komponenten für die erneuerbaren Energien Teil der Lösung.“ Die mittelständische Wirtschaft profitiere als Zulieferer und Innovationstreiber der Großindustrie. Heimischen Unternehmen und deren Beschäftigten müsse jetzt eine Brücke gebaut werden, um diese Rolle weiterhin übernehmen zu können. „Selbstverständlich halten wir es für angemessen, dass Unternehmen, die von einem Brückenstrompreis profitieren, eine Standort- und eine Tariftreuegarantie abgeben müssen.“
Die Vision des VAA sei eine zukunftsorientierte, innovative Arbeitswelt mit exzellenten Arbeitsbedingungen, in der hoch qualifizierte, gute Arbeit wertgeschätzt werde – eine Arbeitswelt, in der alle Arbeitnehmer mitbestimmen und ihre Stärken am Industriestandort Deutschland zur Entfaltung bringen können. „Dieses Ziel sehen wir derzeit in großer Gefahr.“